Atombewegungen sichtbar machen

18.03.2008

Physiker und Gerätebauer haben einen kommerziellen Prototyp für die Femtosekunden-Röntgenbeugung entwickelt. Damit steht ein international konkurrenzloses Gerät für Grundlagenuntersuchungen in Physik, Chemie und Materialwissenschaften zur Verfügung, das ultra schnelle Atombewegungen sichtbar machen kann.

Physiker am Max-Born Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie (MBI) in Berlin-Adlershof haben in Zusammenarbeit mit Gerätebauern der Adlershofer Firma IfG - Institute for Scientific Instruments GmbH und der Fa. Feinmechanik Teltow ein Prototyp-Labor-Gerät für Röntgenbeugung im Ultrakurzzeitbereich entwickelt. In einer modular aufgebauten Anlage werden unter Verwendung eines kommerziellen Hochleistungslasers Blitze harter Röntgenstrahlung erzeugt, deren Dauer ungefähr eine Zehntel Pikosekunde beträgt. Damit steht ein international konkurrenzloses Gerät für Grundlagenuntersuchungen in Physik, Chemie und Materialwissenschaften zur Verfügung.

In der Nanotechnologie und der molekularen Biologie arbeiten Wissenschaftler mit immer kleineren Strukturen wie einzelnen Atomschichten oder Molekülgruppen. Sie wollen in diese Strukturen gezielt eingreifen und dadurch bestimmte Funktionen erzielen. Veränderungen in solchen Nanostrukturen haben eines gemeinsam: Sie spielen sich auf unvorstellbar kleinem Raum ab und sie sind extrem schnell. "Für das Verständnis dieser ultraschnellen Prozesse brauchen wir ein anschauliches Bild davon, was auf atomarer Ebene passiert", sagt der Physiker Matias Bargheer. Bereits seit hundert Jahren liefert die Röntgenbeugung extrem genaue Informationen über die Struktur von Molekülen und Festkörpern. Seit einigen Jahren können Physiker nun auch ultrakurze Röntgenblitze herstellen. Diese liefern Schnappschüsse der ultraschnellen Atombewegungen mit einer Belichtungszeit von etwa 0,1 Pikosekunde.

Nur wenige hochspezialisierte Forschergruppen - dazu zählt auch die Gruppe am MBI - konnten bisher solche Röntgenblitze erzeugen. Aber auch viele Grundlagenforscher aus den Bereichen Chemie und Materialwissenschaften interessieren sich für die Methode. Matias Bargheer: "Unser ursprünglicher Versuchsaufbau war aber nicht ohne weiteres auf andere Labore übertragbar und erforderte viel Spezialwissen." Das entwickelte Prototyp-Labor sei nun auch von Nicht-Laserphysikern bedienbar und zudem noch "erschwinglicher als ein Computer-Tomograph", so Bargheer. Erst in einigen Jahren werden vergleichbare Untersuchungen an sogenannten Freie-Elektronen-Lasern im Röntgenbereich möglich sein, die sich derzeit noch im Aufbau befinden.

Mit der Methode der Femtosekunden-Röntgenbeugung gelang es dem Physiker und seinen Kollegen bereits, ultraschnelle Bewegungen in verschiedenen Nanostrukturen zu verfolgen und die Mechanismen zu identifizieren, die zu ultraschnellen Veränderungen führen. Sie konnten beispielsweise beobachten, wie durch optische Anregung einer metallisch-ferroelektrischen Nanoschicht die elektrische Polarisation in nur 1 Pikosekunde abgeschaltet werden konnte (Korff-Schmising et al, Physical Review Letters, 98, 257601, 2007). "Solche Erkenntnisse können beim Design neuer elektronischer Bauelemente helfen, die unsere Computer noch tausendmal schneller machen", hofft Bargheer. Ähnliche Methoden haben die MBI-Physiker auch auf Halbleiter-Nanostrukturen und Molekülkristalle angewendet.

Über das Prototyp-Labor zur Femtosekunden-Röntgenbeugung, dessen Entwicklung auch im Rahmen des PROFIT Programms des Berliner Senats gefördert wurde, berichten Matias Bargheer, der mittlerweile eine Juniorprofessur an der Universität Potsdam innehat, und seine Kollegen vom Institute for Scientific Instruments am 17. März 2008 auf der "Laser Optics Berlin". Neben den wissenschaftlichen Ergebnissen und den geschaffenen Möglichkeiten zu einer breiten Applikationsforschung haben sich bereits erste kommerzielle Erfolge ergeben. Noch in diesem Jahr wird für ein Max-Planck-Institut in Göttingen eine weitere Femtosekunden-Röntgenquelle vom IFG aufgebaut. Weitere Anfragen liegen bereits vor.

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