Verbrechensspuren sollen mehr Informationen entlockt werden

26.07.2007

Eine Erbguttypisierung macht es oft möglich, biologische Spuren einer Person zuzuordnen. Doch bei sexuellem Missbrauch oder Vergewaltigung kann es zum Beispiel auch wichtig sein, ob Körperzellen beim Händeschütteln oder bei einem sexuellen Kontakt übertragen worden sind. Der Biologe Dr. Martin Schulz hat ein Verfahren entwickelt, mit dem sich in der Gerichtsmedizin feststellen lässt, ob Zellen von der Hautoberfläche oder aus einer Schleimhaut, wie sie sich im weiblichen Genitaltrakt findet, stammen.

"Um heute ein genetisches Profil aus einer biologischen Probe anzufertigen, werden nur kleinste Mengen DNA zum Beispiel aus Blut, Speichel oder Sperma benötigt", sagt Martin Schulz. So überraschend es klingt, ist die Unterscheidung, ob eine so genannte Epithelzelle aus der obersten Zellschicht der Haut oder der Schleimhaut stammt, in der forensischen Medizin derzeit viel schwieriger. "Die DNA ist nämlich in jeder Zelle eines Menschen gleich", sagt der Biologe. Und im Gegensatz zu einem Arzt oder einem Pathologen, der für seine Untersuchungen normalerweise sorgfältig gewonnenes und aufbereitetes Zellmaterial in ausreichender Menge zur Verfügung hat, sind die Proben, die in der Gerichtsmedizin landen, winzig, eingetrocknet und durch Lagerung verändert. Denn die sichergestellten Spuren befinden sich häufig auf Wattestäbchen und sind in vielen Fällen alles andere als frisch. "Einfache Verfahren, die erfolgreich in der medizinischen Diagnostik eingesetzt werden, können wir nicht nutzen", erklärt Schulz. "In unseren Proben haben die Zellen ihr ursprüngliches Aussehen verloren, und die Zelltypen lassen sich auf konventionelle Weise meistens nicht mehr oder nicht mehr sicher unterscheiden."

Die entscheidende Idee für sein Verfahren, bestimmte Zelltypen sicher zu unterscheiden, ist dem Biologen durch die Krebsforschung gekommen. Dort muss bei manchen Patienten festgestellt werden, in welchem Organ ein Krebs ursprünglich entstanden ist, um die optimale Behandlung festzulegen. Die Zellherkunft wird dabei oftmals über das so genannte Zellskelett festgestellt, das aus Gerüsteiweißen besteht und der Zelle Stabilität verleiht. "Bestimmte Anteile des Zellskeletts, die Intermediärfilamente, bestehen aus chemisch unterschiedlich aufgebauten Untereinheiten, je nachdem, ob eine Zelle zum Beispiel aus dem Muskel, den Nerven oder aus einem Epithel stammt", erklärt Schulz. Von den für Epithelgewebe typischen Zytokeratinen gibt es wiederum etwa zwanzig verschiedene Typen. "Für diese Zytokeratine sind in der Krebsforschung spezielle immunhistochemische Färbungen entwickelt worden. Das haben wir uns zunutze gemacht." Bei seinen ersten Untersuchungen hat Martin Schulz mit Gewebeschnitten spurenkundlich relevanter Epithelien gearbeitet und die Verteilung der Zytokeratine in Zellen verschiedener Herkunft untersucht, in der Wangenschleimhaut, im Enddarm, im Harnleiter, der Blase, der Harnröhre, der Scheide und in der Haut. Schulz hat rund zwanzig Zytokeratine ausprobiert, um die Epithelgewebe unterscheidbar zu machen. "Für uns ist zum Beispiel wichtig, dass sich ein bestimmter Zytokeratintyp ausschließlich in Schleimhäuten findet", sagt der Biologe.

"Ein grundlegendes Problem im nächsten Teilprojekt lag darin, dass diese Färbungen an Gewebeschnitten zwar gut geklappt haben, aber nicht an ganzen Zellen, wie sie bei forensischen Untersuchungen üblicherweise vorliegen", sagt er. "In der medizinischen Diagnostik kann es vollauf genügen, wenn sich von hundert vorhandenen Zellen, die man nachweisen möchte, zehn anfärben. Das reicht in der Gerichtsmedizin nicht, da oft nur sehr wenige Zielzellen in einer Spur enthalten sind. Gleichzeitig dürfen wir nicht ein einziges falsch-positives Ergebnis produzieren." Mindestens 80 Prozent der Zellen sollten im neuen Verfahren angefärbt werden, und der Forscher hat die Färbemethoden inzwischen so weiterentwickelt, dass sich Hautzellen von Schleimhautzellen auch bei schwierigen Proben sicher unterscheiden lassen.

Er kann mit Hilfe von Farbstoffen nicht nur die Eiweißstoffe unterscheiden, aus denen die Zytokeratine bestehen, sondern sein Ergebnis auch an der Menge der für das Keratin zuständigen, aktiv abgelesenen Gene, das heißt an der vorhandenen mRNA, prüfen. "Dadurch ist der Nachweis doppelt sicher", sagt Martin Schulz. Auch bei den immunologischen Färbungen kann eine Gegenprobe das Ergebnis nochmals absichern, da Farbstoff eins nur Keratintyp eins färbt, Farbstoff zwei nur den Typ zwei - aber jeweils nicht umgekehrt.

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