Mit 4Pi Mikroskop in die Nanowelt der Zellen
Weltweit erstes kommerzielles Superlichtmikroskop an der Universität Heidelberg in Betrieb
Mehr als 120 Jahre lang galt die Auflösung optischer Mikroskope als begrenzt. Ernst Abbe erkannte 1873, dass durch die Welleneigenschaften des Lichts Objekte, die enger als 200 Nanometer beieinander liegen, nicht unterschieden werden können. Um trotzdem kleinere Objekte zu betrachten, wurden Elektronenmikroskope entwickelt. Diese haben aber den Nachteil, dass nur Objekte auf der Oberfläche sichtbar sind. Auch lebende Zellen können damit nicht untersucht werden und so bleibt nur die Lichtmikroskopie, um Zellen und deren Bestandteile in räumlicher Tiefe zu beobachten.
Vor einigen Jahren gelang es mithilfe spezieller Fluoreszenzeffekte diese Grenze des optischen Auflösungsvermögens zu unterschreiten. Mit dem von Professor Stefan Hell, Direktor am Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie in Göttingen, erfundenen und von Leica Microsystems entwickelten und gefertigten Gerät steht nun erstmals ein Mikroskop zur Verfügung, mit dem Strukturen bis zu einer minimalen Größe von 100 Nanometern dargestellt werden können.
Das weltweit erste kommerzielle 4Pi-Konfokalmikroskop wurde an der Ruprecht-Karls Universität in Heidelberg in Betrieb genommen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) stellte dieses Superlichtmikroskop Professor Christoph Cremer vom Kirchhoff-Institut für Physik und Professor Thomas Holstein vom Institut für Zoologie zur Verfügung. Dass die Ruperto Carola von der DFG, die insgesamt vier dieser Mikroskope für deutsche Universitäten bewilligte, als erster Standort für das neue Super-Mikroskop ausgewählt wurde, mag kein Zufall gewesen sein. Schließlich sind Heidelberger Wissenschaftler an der Entwicklung des Mikroskops intensivst beteiligt.
"Bereits als Studenten überlegten mein Bruder und ich, wie sich die optische Auflösung eines Lichtmikroskops verbessern lässt", erzählt Professor Christoph Cremer. Ihre Idee war es, von allen Seiten einfallendes Licht mithilfe so genannter 4Pi-Hologramme auf einen Punkt zu konzentrieren und mit diesem extrem fokussierten Lichtstrahl die zu betrachtenden Objekte zu scannen. 4Pi steht dabei für das Vierfache des Faktors Pi und ist der Formel zur Bestimmung der Oberfläche einer Kugel entnommen, die dem von allen Seiten einfallende Licht entspricht. Die beiden damaligen Studenten verfolgten zunächst ihre Idee nicht weiter, wohl auch weil die Fachwelt diesem Gedanken skeptisch gegenüber stand. Ein berühmter theoretischer Physiker erklärte den Brüdern damals, er könne in ihren Überlegungen zwar keine Fehler finden, aber er sei sicher, dass die Idee dennoch falsch sei. Mehr als 20 Jahre später griff Stefan Hell die 4Pi-Idee wieder auf. Sein Konzept war es, Licht durch zwei hochauflösende, gegenüberliegende Objektive auf einen Punkt zu konzentrieren. Die Lichtwellen beider Objektive werden dabei so überlagert, dass sie im Fokuspunkt ihr Feld verstärken. Auf diese Weise wird eine beinahe kugelförmige Lichtwelle simuliert, die fast aus allen Richtungen auf den Fokuspunkt zuläuft.
"Mit dem 4Pi-Mikroskop eröffnet sich die Möglichkeit, zelluläre Strukturen und Prozesse mit bisher nicht gekannter räumlicher Auflösung zu studieren, wie etwa die Exozytose, also die Abgabe von Neurotransmittern an den Synapsen von Nervenzellen. Und wir werden Substrukturen spezialisierter Produkte des Golgi-Apparats untersuchen", gibt Thomas Holstein Beispiele für die kommende Anwendung des neuen Lichtmikroskops. Aber auch die Arbeitsweise verändert sich mit der neuen Technik. "Wir können eine bestimmte Struktur isolieren und mit der höchsten Auflösung betrachten und anschließend schauen, wie sie sich im Zellverband und im Gewebeverband verhält", erklärt der Biologe Holstein. Auch Christoph Cremer hat einiges mit dem neuen Mikroskop vor. So plant er unter anderem Untersuchungen zur räumlichen Nanostruktur der im Zellkern enthaltenen Erbinformation, und in Zusammenarbeit mit Forschern der Heidelberger Herzklinik ist die Analyse von Membrankomplexen vorgesehen.
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