Die perfekte Welle - Wie die Zellmembran zum Nano-Fließband wird

24.08.2010 - Deutschland

Schützend umhüllen Membranen jede einzelne Zelle unseres Körpers. Die nur wenige Nanometer dicke Schicht grenzt das Zellinnere von der Umwelt ab und kontrolliert genau, welche Substanzen Zutritt bekommen. Bildliche Darstellungen erwecken häufig den Eindruck, Membranen seien starre Gebilde. In Wirklichkeit sind sie ähnlich dickflüssig wie Olivenöl und zudem höchst dynamisch: Dies nutzten nun die Arbeitsgruppen von Professor Joachim Rädler (LMU), Professor Achim Wixforth (Universität Augsburg) und Professorr Matthias Schneider (Boston University) im Rahmen einer Zusammenarbeit im Exzellenzclusters „Nanosystems Initiative Munich (NIM)“.

Die Wissenschaftler entdeckten, dass sie die Verteilung von substratgebundenen Membranlipiden durch Beschallung mit stehenden akustischen Oberflächenwellen (SAWs) beeinflussen können. Sie konnten zeigen, dass sich mit dieser Methode auch lipidgebundene Proteine an genau vorherbestimmten Stellen aufkonzentrieren, auftrennen und - wie auf einem Förderband - sogar transportieren lassen. Dies könnte einen weiteren wichtigen Baustein für die Realisierung von „Fabriken im Nano-Maßstab“ („Lab-on-a-Chip“) liefern.

Die Wissenschaftler brachten dazu zunächst eine nachgebaute biologische Membran auf einen Träger auf. Durch diesen Träger schickten sie eine stehende akustische Oberflächenwelle, die durch die Überlagerung zweier gegenläufiger Wellen auf Piezokristallen erzeugt wurde und an die aufgebrachte Membran koppelte. Als Folge davon wanderte ein Großteil der Lipide in die Membranabschnitte, unter denen sich die Schwingungsbäuche der Welle befanden: So entstanden periodisch sich abwechselnde Bereiche mit erhöhter und verringerter Lipidkonzentration. Um dieses Streifenmuster in der hauchdünnen Membran erkennen zu können, wurden die Lipide mit Fluoreszenzfarbstoffen markiert.

In einem weiteren Schritt testeten die Physiker, ob dieser Effekt auch eintritt, wenn sie Proteine an die Membranlipide koppeln. Mit Biotin als Bindeglied hefteten sie fluoreszenzmarkierte Proteine wie etwa Avidin oder Streptavidin an einen Teil der Lipide. Sie stellten fest, dass sich auch die beladenen Lipide unter Einfluss der stehenden akkustischen Welle sortieren. Dadurch eröffnet diese neue Methode den Weg für interessante Anwendungen. Sie ermöglicht zum einen die Aufkonzentration von sehr geringen Proteinmengen, für die die herkömmlichen Methoden zumeist nicht geeignet sind. Zum anderen kann das neue Prinzip auch Proteingemische trennen. Die Wissenschaftler beobachteten, dass sich beim gleichzeitigen Einsatz von zwei verschiedenen Proteinen eine Sorte im Wellenbauch und die andere im Wellenknoten anreicherte.

Ein besonders vielversprechender Effekt zeigte sich jedoch, sobald die Physiker die Frequenz der Welle leicht modulierten und somit eine sogenannte Schwebung erzeugten: Als würde aus einem fixen Zebrastreifen ein Fließband, verschoben sich die Schwingungsbäuche und -knoten, wobei die in den Wellenbäuchen angereicherten Proteine gezielt in eine Richtung transportiert wurden. Mit diesem Versuch konnten die Wissenschaftler eindrucksvoll zeigen, wie sich eine Zellmembran durch Schallwellen zum Förderband für Proteine verwandelt. Dies könnte einen weiteren wichtigen Baustein für die Realisierung von „Fabriken im Nano-Maßstab“ („Lab-on-a-Chip“) liefern.

Originalveröffentlichung: J. Neumann, M.Hennig, A. Wixforth, S. Manus, J.O. Rädler and M.F. Schneider; "Transport, Separation, and Acculumation of Proteins on Supported Lipid Bilayers"; Nano Lett. 2010, 10, 2903-2908

Weitere News aus dem Ressort Wissenschaft

Meistgelesene News

Weitere News von unseren anderen Portalen

Zuletzt betrachtete Inhalte

Das kleinste Kräftemessen der Welt - Neuartiger Sensor detektiert Vibrationen im Nanometerbereich

Das kleinste Kräftemessen der Welt - Neuartiger Sensor detektiert Vibrationen im Nanometerbereich

Was heißt hier „Auflösung“? Mikroskopie-Rätsel gelöst - Neues Mikroskopie-Verfahren kann Moleküle identifizieren: Die Frage nach dem Auflösungsvermögen erwies sich als schwieriges Rätsel

Was heißt hier „Auflösung“? Mikroskopie-Rätsel gelöst - Neues Mikroskopie-Verfahren kann Moleküle identifizieren: Die Frage nach dem Auflösungsvermögen erwies sich als schwieriges Rätsel

Ein genetisches Netzwerk im Zusammenhang mit Autismus entschlüsseln

Ein genetisches Netzwerk im Zusammenhang mit Autismus entschlüsseln

Neue Biomarker sagen Erfolg von Immuntherapie gegen Krebs voraus

Antibiotikaresistenztests drastisch beschleunigt - Neue Methode könnte das mikrobielle Screening in klinischen und Forschungslabors verändern

Antibiotikaresistenztests drastisch beschleunigt - Neue Methode könnte das mikrobielle Screening in klinischen und Forschungslabors verändern

Das Labor der Zukunft ist Gegenwart auf der analytica in München

Bio-Plex Multiplex Immunoassays | Multiplex-Immunoassay-Systeme | Bio-Rad Laboratories

Bio-Plex Multiplex Immunoassays | Multiplex-Immunoassay-Systeme | Bio-Rad Laboratories

Dem Ursprung komplexer Lebewesen auf der Spur - "Missing Link"-Mikroorganismus kultiviert

Dem Ursprung komplexer Lebewesen auf der Spur - "Missing Link"-Mikroorganismus kultiviert

Bluttests könnten Überlebenschancen von Patienten mit metastasierendem Krebs vorhersagen - Durch die Messung des DNA-Anteils im Blut, der von einem Tumor stammt, können Flüssigbiopsien möglicherweise zur Steuerung der Behandlung beitragen

Bluttests könnten Überlebenschancen von Patienten mit metastasierendem Krebs vorhersagen - Durch die Messung des DNA-Anteils im Blut, der von einem Tumor stammt, können Flüssigbiopsien möglicherweise zur Steuerung der Behandlung beitragen

Warum immer mehr ICP-OES-Anwender auf die neueste Technologie umsteigen -

Warum immer mehr ICP-OES-Anwender auf die neueste Technologie umsteigen -

Kontrolle der Gesamtbetriebskosten bei Mikrowellenaufschlüssen - Unübertroffene Lebensdauer und Garantie auch auf die Gefäße sorgen für niedrigste Betriebskosten

Kontrolle der Gesamtbetriebskosten bei Mikrowellenaufschlüssen - Unübertroffene Lebensdauer und Garantie auch auf die Gefäße sorgen für niedrigste Betriebskosten

Gefährlicher Grenzverkehr: Wie aggressive Zellen in das Gehirn eindringen - Live-Beobachtungen geben neue Einblicke in Vorgänge der Multiplen Sklerose

Gefährlicher Grenzverkehr: Wie aggressive Zellen in das Gehirn eindringen - Live-Beobachtungen geben neue Einblicke in Vorgänge der Multiplen Sklerose