Aktivität von CRISPR-Genscheren sichtbar gemacht
Neue Methode ermöglicht genaue Beobachtung der Generkennung
Wissenschaftler:innen der Universität Leipzig haben in Zusammenarbeit mit Kolleg:innen der Universität Vilnius in Litauen eine neue Methode entwickelt, um kleinste Verdrehungen und Drehmomente von Molekülen innerhalb von Millisekunden zu messen. Die Methode ermöglicht es, die Generkennung von CRISPR-Cas-Proteinkomplexen, auch „Genscheren” genannt, mit höchster Auflösung in Echtzeit zu verfolgen. Mit den gewonnenen Daten kann der Erkennungsprozess genau charakterisiert und modelliert werden, um die Präzision der Genscheren zu verbessern. Die Ergebnisse des Teams um Prof. Dr. Ralf Seidel und Dominik Kauert von der Fakultät für Physik und Geowissenschaften wurden jetzt in der Fachzeitschrift „Nature Structural and Molecular Biology“ veröffentlicht.
Wenn Bakterien von einem Virus befallen werden, können sie sich mit einem Mechanismus dagegen wehren, der das eingeschleuste Erbgut des Eindringlings abwehrt. Der Schlüssel dazu sind CRISPR-Cas-Proteinkomplexe. Deren Funktion als adaptive Immunsysteme in Mikroorganismen wurden erst im letzten Jahrzehnt entdeckt und aufgeklärt. CRISPR-Komplexe erkennen die Angreifer mit Hilfe einer integrierten RNA an einer kurzen Sequenz in deren DNA und zerstören sie dann. Der Mechanismus der Sequenzerkennung mit Hilfe einer RNA wurde in der Folge genutzt, um Gene in beliebigen Organismen gezielt auszuschalten und zu verändern. Diese Entdeckung revolutionierte die Gentechnik und wurde bereits 2020 mit dem Nobelpreis für Chemie an Emmanuelle Charpentier und Jennifer A. Doudna gewürdigt.
Hin und wieder reagieren CRISPR-Komplexe aber auch auf Genabschnitte, die von der durch die RNA vorgegebene Sequenz leicht abweichen. Das führt bei medizinischen Anwendungen zu unerwünschten Nebenwirkungen. „Die Ursachen dafür sind noch nicht gut verstanden, da der Prozess bisher nicht direkt beobachtet werden konnte“, sagt Dominik Kauert, der als Doktorand an dem Projekt arbeitete.
Prozesse auf Nanoebene im Detail verfolgt
Um den Erkennungsprozess besser zu verstehen, machte sich das Team um Prof. Dr. Ralf Seidel und Dominik Kauert zunutze, dass die DNA-Doppelhelix der Zielsequenz während der Erkennung entwunden wird, um die Basenpaarung mit der RNA zu ermöglichen. „Die zentrale Frage des Projekts war daher, ob sich das Entwinden eines nur 10 Nanometer (nm) langen DNA-Stücks überhaupt in Echtzeit verfolgen lässt“, sagt Kauert.
Um den Entwindungsprozess im Detail beobachten zu können, mussten die Wissenschaftler:innen ihn für das Mikroskop erfassbar machen. Dafür griff das Team auf den Werkzeugkasten der DNA-Nanotechnologie zurück, mit der sich beliebige dreidimensionale DNA-Nanostrukturen erstellen lassen. Mit Hilfe dieser so genannten DNA-Origami-Technik konstruierten die Forscher:innen einen 75 nm langen DNA-Rotorflügel und befestigten an dessen Ende einen Goldnanopartikel. Die Entwindung der 2 nm dünnen und 10 nm langen DNA-Sequenz übertrug sich im Experiment auf die Rotation des Goldnanopartikels entlang eines Kreises mit einem Durchmesser von 160 nm – diese vergrößerte Bewegung konnte in einem speziellen Mikroskopaufbau verfolgt werden.
Mit dieser neuen Methode konnten die Wissenschaftler:innen die Sequenzerkennung durch den CRISPR-Komplex Cascade nun nahezu Basenpaar für Basenpaar beobachten. Überraschend war dabei, dass die Basenpaarung mit der RNA energetisch kaum von Vorteil ist, so dass der Komplex während der Sequenzerkennung nur labil gebunden ist. Erst, wenn die gesamten Sequenz vollständig erkannt wurde, kommt es zu einer stabilen Bindung und in der Folge zur Zerstörung der DNA. Handelt es sich um die „falsche“ Zielsequenz, wird der Prozess hingegen abgebrochen.
Ergebnisse können künftig bei der Auswahl passender RNA-Sequenzen helfen
Dass der Erkennungsprozess dennoch manchmal fehlerhafte Ergebnisse liefert, ist auf dessen stochastische Natur, nämlich auf zufällige Molekülbewegungen, zurückzuführen, wie die Forscher:innen jetzt nachweisen konnten. „Die Sequenzerkennung wird durch thermische Fluktuationen bei der Basenpaarung angetrieben,“ so Kauert. Mit den gewonnenen Daten konnte ein thermodynamisches Modell der Sequenzerkennung erstellt werden, das die Erkennung von abweichenden Sequenzabschnitten beschreibt. Dies soll in Zukunft eine bessere Auswahl von RNA-Sequenzen ermöglichen, die nur die gewünschte Zielsequenz erkennen, um die Präzision genetischer Manipulationen zu optimieren.
Da die konstruierten Nanorotoren universell für die Messung von Verdrehungen und Drehmomenten in einzelnen Molekülen geeignet sind, können sie auch für andere CRISPR-Cas-Komplexe oder Biomoleküle eingesetzt werden.
Die Arbeiten wurden vom Europäischen Forschungsrat und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert und in Kollaboration mit der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Virginijus Siksnys von der Universität Vilnius (Litauen) durchgeführt, die die verwendeten CRISPR-Komplexe isoliert und zur Verfügung gestellt hat.
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