Das Bouquet unter der Lupe: Schmeckt teurer wirklich besser?

Weine aus Discounter und Weinfachhandel im Test

18.12.2006

Der Preisdruck auf dem Lebensmittelmarkt ist enorm. Supermarktketten und Lebensmitteldiscounter übertrumpfen sich gegenseitig im Preisdumping und loben gleichzeitig die Vielfalt und Qualität ihrer Ware. Der Verbraucher hingegen findet sich in einem Durcheinander von Güte-, Qualitätssiegeln und anderen Labels wieder. Doch was steckt dahinter? Welche Angaben zum Geschmack eines Lebensmittels sind wirklich objektiv und glaubwürdig? Was sagt der Geschmack über die Qualität eines Produktes aus? Im zweijährigen BIS-Projekt (Bremerhavener Gesellschaft für Investitionsförderung und Stadtentwicklung mbH) EXPERSENS entwickelten ttz-Wissenschaftler ein Testdesign zur Objektivierung von Geschmack am Beispiel von Wein. Die Fragestellung der Wissenschaftler war, ob nachgewiesen werden kann, dass sich hochpreisige Produkte auch geschmacklich positiv von Niedrigpreisprodukten unterscheiden. Mit Hilfe der diskriminierenden Lebensmittelanalytik, einem Zusammenspiel von Sensorik und Analytik, haben die Geschmacksexperten am ttz Bremerhaven überprüft, ob das, was Weinexperten und Konsumenten schmecken und riechen auch tatsächlich analytisch als Inhaltsstoff im Wein nachweisbar ist.

Melanie Engel vom ttz-Sensoriklabor sorgte für Untersuchungsergebnisse von lebenden Weintestern, während Herr Dr. Lauterbach die Weinverkostung seinen Laborapparaturen überließ. Begründer des EXPERSENS-Verfahrens und Leiter des Projektes Werner Mlodzianowski, Geschäftsführer des ttz Bremerhaven, gab wertvolle Ratschläge bei der Ausrichtung der einzelnen Arbeitsschritte.

Im Vorfeld wählten die Wissenschaftler zusammen mit den Projektpartnern aus dem Weinfachhandel zwölf Rieslinge verschiedener Anbaugebieten aus. In sechs Weinpärchen wurden die Rieslinge dann von Konsumenten und Experten getestet. Dabei wurden immer ein Riesling aus dem Fachhandel und sein Gegenstück aus dem Discounter einander gegenübergestellt.

Die Konsumenten konnten bei einer ersten Verkostung keine wesentlichen Geschmacksunterschiede feststellen. "Geschmack ist Gewohnheitssache. Die meisten Verbraucher sind die Weine aus dem Discounter gewöhnt und können daher auch zunächst keine wesentlichen Unterschiede feststellen", erläutert Melanie Engel aus dem ttz-Sensoriklabor. Nach diesem Test fragten sich die Wissenschaftler, ob die gleichen Konsumenten nach einer Geschmacksschulung die Weine deutlicher voneinander unterscheiden können. Bei der im Anschluss durchgeführten Schulung arbeitete Melanie Engel mit ausgewählten Konsumenten den Geschmack und Geruch der einzelnen Weine heraus. "Während der Schulung haben wir die einzelnen Weinpärchen analysiert. Um Geruchs- und Geschmacksnoten besser erkennen zu können, benutzten wir Referenzen. Mit dem Geruch von echtem grünen Apfel in der Nase lässt sich dieser auch leichter im Wein wieder finden. Auch die Experten bedienen sich dieser Hilfsmittel", erläutert Engel. Das Ergebnis eines weiteren Akzeptanztest war dann selbst für die Experten verblüffend: Alle Konsumenten bewerteten nun den Fachhandelswein deutlich besser als im ersten Test.

Im zweiten Schritt sollten die Weine nun in Geruch und Geschmack ausführlich beschrieben werden. Mit Hilfe der so genannten Quantitativen Deskriptiven Analyse (QDA) können Geschmacks- und Geruchswahrnehmungen messbar gemacht werden. Ein Team aus Weinexperten hat sich hierfür in Einzel- und Gruppenverkostungen intensiv mit den Weinpärchen beschäftigt. Begrifflichkeiten für Geschmacks- und Geruchseindrücke wurden festgelegt und den einzelnen Weinen zugeordnet.

Insgesamt schnitten die Discounterweine genauso wie beim zweiten Konsumententest schlechter ab als der Fachhandelswein. Während bei den Weinen aus dem Fachhandel fruchtige Weine mit balanciertem Säure-Süß-Verhältnis vorlagen, wurden bei Weinen aus dem Discounter eher flache Weine mit häufigen Fehlnoten festgestellt. Die Fehlnoten sind meist auf die Produktionsbedingungen zurückzuführen.

Mit High-Tech aus dem Labor überprüfte Dr. Hubert Lauterbach die Geschmackseindrücke von Experten und Konsumenten. Der Leiter der Analytik am ttz Bremerhaven entnahm Proben der zwölf Rieslingweine und untersuchte diese auf Inhaltsstoffe, Geschmacksaromen, Mängel und Fehltöne. In wochenlanger Kleinarbeit wurden die Proben mittels Gaschromatographie analysiert und ausgewertet. "Das Lebensmittel Wein ist enorm komplex. Ein Weißwein kann aus bis zu achthundert organischen Komponenten bestehen. Einige hundert dieser Inhaltsstoffe prägen den Geschmack und Geruch des Weines", erläutert Lauterbach. Die wichtigsten Inhaltsstoffe wurden gegenübergestellt, um die Unterschiede innerhalb eines Weinpaares deutlich zu machen. Nach aufwändigen Tests konnte für jeden Wein ein "chemischer Fingerabdruck" erstellt werden, so dass man klare "diskriminierende" Muster zwischen Discounter und Fachhandelsprodukt erkennen kann.

Daneben wurden auch Fehltöne oder chemische Kontaminierungen der Discounterweine in der Analytik festgestellt. So war zum Beispiel eine starke Petrolnote bei einigen Discounterweinen vorhanden. Diese weist auf eine vorzeitige Alterung des Weines hin, welche verfahrenstechnische oder auch biologische Ursachen haben kann.

Die Untersuchungen im Projekt EXPERSENS zeigen deutlich, dass Qualitätsunterschiede zwischen Fachhandel und Discounter vorhanden sind und diese sich auch deutlich im Geschmack der Weine widerspiegeln. "Expertenmeinungen müssen objektiv nachprüfbar sein. Wenn zwei Experten unterschiedlich über ein und denselben Wein urteilen, dann muss sich wohl einer irren", erklärt Werner Mlodzianowski. "Wir haben nach einem Verfahren gesucht, mit dem Expertenurteile chemisch-analytisch gestützt und somit objektiviert werden können. Es ist nur menschlich sich im Urteil auch mal zu irren. Diese Irrtümer können wir mit der Analytik ausschließen." Mlodzianowski weiß, dass es dem Verbraucher auf ein objektives und nachvollziehbares Urteil von Geschmack und Qualität ankommt. So kann die diskriminierende Lebensmittelanalytik sowohl Konsumenten als auch Produzenten eine objektivere Unterscheidung von Produktqualitäten ermöglichen. "Wenn der Lebensmittelproduzent möchte, dass der Verbraucher für ein hochwertiges Produkt mehr Geld ausgibt, dann muss er auch plausibel erklären und nachweisen können, warum sein Produkt das bessere ist", erläutert Mlodzianowski.

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