Neuer Ansatz gegen BSE im Labor erfolgreich

05.12.2006

Eine neue Behandlungsmethode kann bei Mäusen den Verlauf der tödlichen Hirnkrankheit Scrapie deutlich verlangsamen. Das haben Wissenschaftler der Universitäten München und Bonn zusammen mit Kollegen vom Max-Planck-Institut in Martinsried festgestellt. Sie nutzten dazu einen Effekt, für dessen Entdeckung die US-Forscher Craig Mello und Andrew Fire mit dem diesjährigen Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet wurden. Scrapie, Creutzfeldt-Jakob und BSE gehören zu den ungewöhnlichsten Krankheiten, die Mediziner kennen. Ungewöhnlich deshalb, weil die Erreger augenscheinlich keine Viren oder Bakterien sind, sondern bloße Eiweißmoleküle, die so genannten Prion-Proteine. Bei Mäusen mit Scrapie heißt das krankmachende Prion-Protein PrP-Scr, die normale Variante dagegen PrP-C. PrP-C scheint bei Krankheiten wie dem Schlaganfall eine schützende Wirkung zu haben. Interessanterweise wirken Mäuse, die kein PrP-C produzieren können, aber völlig gesund. In diese Kerbe schlägt eine Therapie-Idee, die seit einigen Jahren in Forscherkreisen kursiert: Kann man nicht einfach die Produktion des "gesunden" PrP-C in infizierten Tieren abschalten und damit dem "kranken" PrP-Scr die Basis seiner Ausbreitung entziehen? Die Kettenreaktion würde so unterbrochen. Wissenschaftler der Ludwig-Maximilians Universität München und der Universität Bonn haben zusammen mit Kollegen vom Max-Planck-Institut in Martinsried getestet, ob dieser Ansatz funktioniert. Dazu haben sie die Produktion von PrP-C in Mäusen mit einem trickreichen Verfahren gedrosselt. Die Forscher nutzten dazu spezielle RNA-Moleküle, so genannte siRNAs, für RNA-Interferenz. "Wir haben Hirnzellen von Mäusen so verändert, dass sie siRNAs gegen das 'gesunde' PrP-C-Protein herstellen konnten", erklärt Professor Dr. Alexander Pfeifer, Direktor des Instituts für Pharmakologie der Uni Bonn. "In Zellkulturen ging die Produktion von PrP-C damit um bis zu 97 Prozent zurück." Dann testeten die Forscher, welchen Effekt diese siRNAs auf Scrapie-kranke Mäuse hatten. "Damit Hirnzellen siRNAs herstellen, muss man ihnen ein entsprechendes Gen einschleusen", sagt Professor Dr. Hans Kretzschmar, Direktor des Prion-Zentrums der LMU München. "Wir werden es aber vermutlich nie schaffen, sämtliche Zellen im Gehirn mit diesem Gen auszustatten." Die Wissenschaftler wollten daher auch herausfinden, wieviele Zellen sie genetisch "aufmotzen" müssen, um Scrapie oder ähnliche Erkrankungen erfolgreich zu therapieren. Sie erzeugten dazu Mäuse, bei denen nur ein Teil der Gehirnzellen siRNAs herstellen konnte. "Während die unbehandelten Mäuse im Schnitt nach 165 Tagen starben, lebten die behandelten Tiere deutlich länger", fasst Kretzschmar die Ergebnisse zusammen. Um wieviel länger sie lebten, variierte: Konnten nur wenige Zellen siRNAs herstellen, starben die Tiere ähnlich früh wie die Kontrollmäuse - das heißt: im Schnitt nach 170 Tagen. Waren jedoch die Mehrzahl der Hirnzellen durch siRNA geschützt, überlebten die Mäuse die Prion-Erkrankung bis zu 230 Tage, also rund ein Drittel länger. "Prinzipiell scheinen RNAi eine erfolgversprechende Behandlungsoption von Scrapie, Creutzfeldt-Jakob oder BSE zu sein", betont Professor Pfeifer. "Bis die Methode beim Menschen eingesetzt werden kann, werden aber noch Jahre vergehen." Auch für die Tierzucht ist die Methode interessant: Mit ihr lassen sich im Prinzip Rinder züchten, die gar kein PrP-C herstellen können. Diese wären dann gegen BSE resistent. Originalveröffentlichung: Journal of Clinical Investigation 2006, Band 116, Ausgabe 12.

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