Zinn-100, ein doppelt magischer Kern

22.06.2012 - Deutschland

Wenige Minuten nach dem Urknall gab es im Universum nur die Elemente Wasserstoff und Helium. Alle anderen chemischen Elemente entstanden erst sehr viel später. Physikern der Technischen Universität München (TUM), des Exzellenzclusters Universe und des Helmholtz-Instituts für Schwerionenforschung (GSI) ist es nun gelungen, Zinn-100 herzustellen, ein zwar sehr instabiles, aber für das Verständnis der Bildung schwererer Elemente sehr wichtiges Element.

Thomas Faestermann / TUM

Blick auf das Experiment am GSI entgegen der Strahlrichtung. Im Zentrum des „Igels“ aus 105 mit flüssigem Stickstoff gekühlten Gamma-Detektoren werden die Fragmente gestoppt und mit 25 großen Teilchendetektoren wird der Zeitpunkt und die frei werdende Energie beim Beta-Zerfall vermessen.

Stabiles Zinn, so wie wir es kennen, besitzt 112 Kernteilchen, 50 Protonen und 62 Neutronen. Die Neutronen wirken dabei gewissermaßen wie ein Puffer zwischen den sich elektrisch abstoßenden Protonen und verhindern, dass normales Zinn zerfällt. Nach dem Schalenmodell der Kernphysik ist die 50 eine „magische Zahl“, bei der besondere Eigenschaften auftreten. Zinn-100 ist mit 50 Protonen und 50 Neutronen „doppelt magisch“ und daher für die Kernphysik besonders interessant.

Indem sie Xenon-124 Ionen mit beinahe Lichtgeschwindigkeit auf ein Beryllium-Blech schossen, gelang es einem Physikerteam der TU München, des Exzellenzclusters Universe und der GSI in Darmstadt, Sn-100 herzustellen und ihren Zerfall zu analysieren. Mit den eigens entwickelten Teilchendetektoren konnten sie, Halbwertszeit und Zerfallsenergie des Zinn-100 und seiner Folgeprodukte vermessen und unter anderem eine Voraussage theoretischer Physiker bestätigen, dass Zinn-100 von allen Atomkernen den „schnellsten“ Beta-Zerfall hat. Dabei spaltet der Kern ein Neutron, ein Positron und ein Neutrino ab und wird zu einem Isotop des Elements Indium.

Demnächst soll das Experiment am Forschungszentrum RIKEN in Japan wiederholt werden. Dort gibt es inzwischen eine höhere Strahlintensität, die noch präzisere Messungen ermöglicht. Ziel der Forschungsarbeiten ist ein besseres Verständnis der Vorgänge bei der Entstehung der schweren Elemente in Explosionen an der Oberfläche kompakter Sterne. Außerdem hofft man, aus den Messungen Rückschlüsse auf die Neutrinomasse ableiten zu können.

Die Arbeit wurde unterstützt mit Mitteln des BMBF, der GSI, des DFG-Exzellenzclusters Origin and Structure of the Universe, der EU (I3-EURONS) und des Swedish Research Council.

Originalveröffentlichung

Weitere News aus dem Ressort Wissenschaft

Meistgelesene News

Weitere News von unseren anderen Portalen

Unter die Lupe genommen: Die Welt der Mikroskopie