Ein Quantenstift für einzelne Atome

22.03.2011 - Deutschland

Physikern am Max-Planck-Institut für Quantenoptik ist es gelungen, Atome in einem Lichtgitter einzeln zu adressieren und beliebig anzuordnen. Dieses ist unter anderem für die Realisierung von Quantencomputern und zur Simulation von Festkörpersystemen von großer Bedeutung.

MPI für Quantenoptik

Mit Hilfe eines Laserstrahls können einzelne Atome im Lichtgitter gezielt adressiert und deren Spinzustand verändert werden. Die Forscher konnten so eine vollständige Kontrolle über die einzelnen Atome erreichen und beliebige zweidimensionale Muster aus einzelnen Atomen „schreiben“.

MPI für Quantenoptik

Mit dem Adressierschema lassen sich beliebige Muster von Atomen im Gitter präparieren. Die atomaren Muster bestehen aus jeweils 10-30 einzelnen Atomen, die in einem künstlichen Kristall aus Licht gefangen sind.

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MPI für Quantenoptik

Weltweit ringen Physiker derzeit um den besten Weg für die Realisierung von Quantencomputern. Einen entscheidenden Schritt in diese Richtung haben jetzt Wissenschaftler um Stefan Kuhr und Immanuel Bloch vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik (Garching bei München) gemacht. Sie konnten erstmals einzelne Atome mit Laserlicht ansprechen und zu beliebigen Strukturen anordnen. So haben die Forscher die Atome entlang einer Linie aufgereiht und deren Tunneldynamik in einem „Wettrennen“ der Atome direkt beobachtet. Ein Register aus mehreren hundert adressierbaren Quantenteilchen könnte in einem Quantencomputer der Speicherung und Verarbeitung von Quanteninformation dienen.

Im vorliegenden Experiment kühlen die Wissenschaftler zunächst Rubidium-Atome auf eine Temperatur von einigen Milliardstel Grad über dem absoluten Nullpunkt und laden diese dann in einen künstlichen Kristall aus Licht. Solche sogenannten optischen Gitter werden von den Forschern durch die Überlagerung mehrerer Laserstrahlen erzeugt. Die Atome werden im Lichtgitter festgehalten – ähnlich wie Murmeln in den Mulden eines Eierkartons.

Das Team um Kuhr und Bloch zeigte bereits vor einigen Monaten, dass sich in diesem Lichtgitter jeder Platz mit genau einem Atom besetzen lässt. Mit Hilfe eines Mikroskops konnten die Wissenschaftler Atom für Atom sichtbar machen und dabei ihre schalenförmige Anordnung in diesem „Mott-Isolator“ nachweisen. Nun ist es den Forschern gelungen, die auf ihren Gitterplätzen fixierten Atome einzeln anzusprechen und ihre jeweiligen Energiezustände zu ändern. Mit Hilfe des Mikroskops fokussierten sie einen Laserstrahl auf einen Durchmesser von etwa 600 Nanometern, was knapp über dem Gitterabstand liegt, und richteten ihn mit hoher Genauigkeit auf einzelne Atome.

Der Laserstrahl deformiert die atomare Elektronenhülle ein kleines bisschen und verändert damit die Energiedifferenz zwischen den beiden Spin-Zuständen des Atoms. Atome mit einem Spin, d.h. einem Eigendrehimpuls, verhalten sich wie kleine Magnetnadeln, die sich in zwei entgegen gesetzten Richtungen ausrichten können. Bestrahlt man die Atome nun mit Mikrowellen, die mit dem modifizierten Spin-Übergang in Resonanz sind, dann absorbieren nur die adressierten Atome ein Mikrowellen-Photon, was ein Umklappen ihres Spins zur Folge hat. Alle anderen Atome im Gitter bleiben von dem Mikrowellenfeld unbeeinflusst.

Die hohe Zuverlässigkeit dieser Adressiertechnik demonstrierten die Wissenschaftler in einer Reihe von Versuchen. So wurden z. B. nacheinander die Spins aller Atome entlang einer Linie umgeklappt, indem der Adressierlaser von Gitterplatz zu Gitterplatz bewegt wurde. Anschließend wurden alle Atome mit umgeklapptem Spin aus der Falle entfernt. Die adressierten Atome werden so als Fehlstellen sichtbar, die leicht gezählt werden können. Daraus ließ sich ableiten, dass das Adressieren in 95% aller Fälle funktioniert. Die Atome auf benachbarten Gitterplätzen werden von dem Adressierlaser nicht beeinflusst, da sie nur noch einem Zehntel der Lichtintensität ausgesetzt sind. Auf diese Weise lassen sich beliebige Verteilungen von Atomen in dem Gitter erzeugen (siehe Abbildung).

An einer Anordnung von 16 Atomen, die auf benachbarten Gitterplätzen wie an einer Perlenschnur aneinander gereiht waren, untersuchten die Wissenschaftler, was passiert, wenn die Gitterhöhe soweit heruntergefahren wird, dass die Teilchen nach den Regeln der Quantenmechanik „tunneln“ dürfen – d. h. von einem Gitterplatz zum nächsten gelangen, auch wenn ihre Energie eigentlich nicht ausreicht, um die Barriere zwischen den Gittertöpfchen zu überspringen. „Sobald die Gitterhöhe den Punkt erreicht hat, an dem das Tunneln möglich ist, laufen die Teilchen los, wie bei einem Pferderennen“, erläutert Christof Weitenberg, Doktorand am Experiment. „Indem wir zu verschiedenen Zeiten nach dem „Startschuss“ Schnappschüsse von den Atomen im Gittern machten, konnten wir den quantenmechanischen Tunneleffekt erstmals direkt an einzelnen massiven Teilchen in einem Gitter beobachten.“

Die neuen Adressiertechniken ermöglichen viele interessante und kontrollierte Untersuchungen der Dynamik von kollektiven Quantenzuständen, wie sie in komplexen Festkörpersystemen auftreten. Aber auch in der Quanteninformationsverarbeitung eröffnen sich neue Perspektiven. „Ein Mott-Isolator mit genau einem Atom pro Gitterplatz stellt ein natürliches Quantenregister mit mehreren hundert Quantenbits dar, die ideale Ausgangsbasis für skalierbare Quanteninformationsverarbeitung“, erklärt Stefan Kuhr. „Wir haben gezeigt, dass wir einzelne Atome gezielt speichern und adressieren können. Damit das Atom als Quantenbit taugt, müssen wir auch noch kohärente Überlagerungen seiner beiden Spin-Zustände erzeugen können. Erst dann lassen sich z. B. elementare Logikoperationen zwischen zwei bestimmten Atomen im Gitter, sogenannte Quantengatter, realisieren.“

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