Mit Spektroskopie und Theorie Licht ins Elektronenmeer von Halbleitern gebracht

Forschungsteam bildet mit neuer Methode quantenmechanische Eigenschaften von Exzitonen ab

21.03.2024
Andreas Windischbacher

Wenn Licht Elektronen im organischen Halbleiter Buckminster-Fulleren anregt, wird das neu gebildete Exziton (heller Punkt) zunächst auf zwei Moleküle verteilt, bevor es sich auf einem Molekül (rechts im Bild) niederlässt.

Von OLED-TVs bis zu Solarzellen auf dem Dach – viele elektronische Geräte aus unserem Alltag erfüllen ihre Funktionen, indem Licht und die Materialien von Halbleitern in Wechselwirkung treten. Eine neuartige Klasse solcher Halbleiter basiert auf organischen Molekülen, die größtenteils aus Kohlenstoff aufgebaut sind. Die Wirkungsweise der organischen Halbleiter wird maßgeblich bestimmt durch ihr Verhalten in den ersten Augenblicken, nachdem Licht Elektronen anregt und sich sogenannte Exzitonen bilden. Forschende der Universitäten Göttingen, Graz, Kaiserslautern-Landau und Grenoble-Alpes haben erstmals sehr schnell und sehr präzise – in 0,000000000000001 Sekunden und auf 0,000000001 Meter genau – Bilder von solchen Exzitonen aufgenommen. Die Einblicke sind entscheidend, um effizientere Materialien mit organischen Halbleitern zu entwickeln. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht.

Wenn Licht auf einen Halbleiter trifft, können einige Elektronen die Energie des Lichts aufnehmen. Das versetzt sie in einen angeregten Zustand. In organischen Halbleitern, die zum Beispiel in OLEDs verbaut sind, ist die Wechselwirkung zwischen den angeregten Elektronen und sogenannten Löchern so stark, dass sie nicht mehr als einzelne Teilchen beschrieben werden können. Stattdessen bilden sich gebundene Elektron-Loch-Paare, Exzitonen genannt. Die quantenmechanischen Eigenschaften dieser Exzitonen in organischen Halbleitern zu verstehen, galt lange Zeit als große Herausforderung – sowohl aus theoretischer als auch aus experimenteller Sicht.

Eine neue Methode bringt nun Licht ins Dunkle. Wiebke Bennecke, Physikerin an der Universität Göttingen und Erstautorin der Studie, erklärt: „Mit unserem Photoemissions-Elektronenmikroskop können wir erkennen, dass die Anziehungskräfte innerhalb der Exzitonen ihre Energie- und Geschwindigkeitsverteilung deutlich verändern. Wir messen die Änderungen mit extrem hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung und vergleichen sie mit den theoretischen Vorhersagen der Quantenmechanik.“ Diese neue Technik bezeichnen die Forschenden als Photoemissions-Exzitonentomographie. Die Theorie dahinter entwickelte ein Team um Prof. Dr. Peter Puschnig an der Universität Graz.

Mit ihrer Technik können die Forschenden erstmals die quantenmechanische Wellenfunktion der Exzitonen messen und sichtbar machen. Die Wellenfunktion beschreibt – vereinfacht gesagt – den Zustand eines Exzitons und bestimmt seine Aufenthaltswahrscheinlichkeit. Der Göttinger Physiker Dr. Matthijs Jansen verdeutlicht die Bedeutung der Erkenntnisse: „Bei dem organischen Halbleiter, den wir untersucht haben – dem Buckminster-Fulleren, der aus einer kugelförmigen Anordnung von 60 Kohlenstoff-Atomen besteht – stellte sich die Frage, ob sich ein Exziton immer auf einem einzigen Molekül befindet oder ob es über mehrere Moleküle gleichzeitig verteilt sein kann. Diese Eigenschaft kann großen Einfluss auf die Effizienz von Halbleitern in Solarzellen haben.“ Die Photoemissions-Exzitonentomographie liefert die Antwort: Unmittelbar nach der Erzeugung des Exzitons durch Licht verteilt es sich auf zwei oder mehr Moleküle. Innerhalb weniger Femtosekunden, also in einem winzigen Bruchteil einer Sekunde, schrumpft das Exziton allerdings wieder auf ein einziges Molekül zusammen.

In Zukunft wollen die Forschenden das Verhalten der Exzitonen mit der neuen Methode auf Video aufnehmen. Das birgt Potenzial, so Prof. Dr. Stefan Mathias von der Universität Göttingen: „Wir wollen zum Beispiel sehen, wie die Relativbewegung von Molekülen die Dynamik von Exzitonen in einem Material beeinflusst. Diese Untersuchungen helfen uns, Energieumwandlungsprozesse in organischen Halbleitern zu verstehen. Und wir hoffen, dass dieses Wissen dazu beitragen wird, effizientere Materialien für Solarzellen zu entwickeln.“

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