Malaria-Erreger unter dem Röntgen-Mikroskop
Röntgenanalyse an BESSY II zeigt, wie Malaria-Wirkstoffe die Erreger bekämpfen
Malaria zählt zu den bedrohlichsten Infektionserkrankungen weltweit. Nun konnte ein internationales Team Malaria-Erreger in roten Blutkörperchen unter natürlichen Bedingungen mit Röntgenmikroskopie an BESSY II und den Synchrotonquellen ALBA und ESRF untersuchen. Die Auswertung zeigt, über welche Mechanismen Wirkstoffe die Erreger angreifen. Dies könnte dazu beitragen, Wirkstoffe und Therapien gezielt zu verbessern.
Nach Einfärbung sind die Plasmodien (Blau und Grün) in der Blutzelle mit vielen Details zu erkennen, unter anderem ist die Vakuole sichtbar.
© S. Kapishnikov
Die Kombination mehrerer Messmethoden an den Synchrotronquellen BESSY II, ALBA und ESRF zeigt, wie Bromoquin den Entgiftungsprozess der Plasmodien stört.
© S. Kapishnikov
Rund 40 Prozent der Menschheit lebt in Regionen, die von Malaria betroffen sind, etwa 200 Millionen Menschen erkranken jährlich und etwa 600.000 Menschen sterben an den Folgen. Durch den Klimawandel breiten sich die Anopheles-Mücken immer weiter aus, welche die Malaria-Erreger übertragen. Diese Erreger sind einzellige Organismen (Plasmodien), die sich in den roten Blutkörperchen ihrer Wirte einnisten und dort Hämoglobin verstoffwechseln, um zu wachsen und sich zu vermehren.
Hypothesen überprüft
Gängige Therapien gegen Malaria basieren auf Wirkstoffen aus der Familie der Chinoline und in letzter Zeit auch Artemisinine. Doch wie genau diese Wirkstoffe die Erreger in Schach halten, wurde bislang sehr kontrovers diskutiert. Eine These bezieht sich auf den Verdauungsprozess der Erreger. Untersuchungen hatten gezeigt, dass die Plasmodien große Mengen an Hämoglobin in ihrer Vakuole (einer Art Tasche) speichern. Dadurch werden eisenhaltige Hämozoin-Moleküle freigesetzt, welche die Plasmodien nicht vertragen. Die Erreger schaffen es jedoch, diese Hämozoin-Moleküle auszukristallisieren, so dass sie sie nicht mehr vergiften können. Die Wirkstoffe könnten die Bildung von Hämozoin-Kristallen verhindern und dadurch den Entgiftungsprozess der Erreger boykottieren – so lautete die Idee.
Infizierte Blutzellen untersucht
Nun hat ein internationales Team um Sergey Kapishnikov von der Universität Kopenhagen, Dänemark und vom Weizmann-Institut in Rehovot, Israel, zusammen mit dänischen, spanischen und Berliner Kollegen diesen Prozess erstmals in infizierten Blutzellen untersucht. Die Blutzellen waren mit dem Erreger Plasmodium falciparum infiziert und wurden mit unterschiedlichen Konzentrationen des Wirkstoffs Bromoquin aus der Familie der Chinoline versetzt.
Erreger in vivo beobachtet
An BESSY II konnten Stephan Werner und Peter Guttmann zusammen mit Sergey Kapishnikov die Proben mit Röntgenmikroskopie untersuchen. „Für die Untersuchung werden die Proben schockgefrostet, so dass wir die Erreger quasi in ihrem natürlichen Zustand (in vivo) und in ihrer natürlichen Umgebung beobachten und dreidimensionale Röntgentomographiebilder anfertigen können“, erklärt Guttmann.
Weitere Röntgenmikroskopie-Untersuchungen fanden an der Synchrotronlichtquelle ALBA, Barcelona statt. Malaria-Erreger in Blutzellen können in vivo und in ihrer natürlichen Umgebung nur durch Röntgenmikroskopie an Synchrotronquellen untersucht werden. Für die Untersuchungen unter einem Elektronenmikroskop werden die Erreger dagegen getrocknet und in ultradünne Scheibchen geschnitten.
Wirkstoffe kartiert
Durch Fluoreszenz-Spektroskopie und Fluoreszenz-Mikroskopie-Untersuchungen an der European Synchrotron Radiation Facility ESRF, Grenoble, gelang es den Forscherteams schließlich, die Verteilung von Elementen aus den Wirkstoffen im Blutkörperchen zu kartieren, so dass sie die dreidimensionalen Röntgenaufnahmen präzise interpretieren konnten.
Wirkstoff stört den Entgiftungsprozess
„Wir sehen in unseren Aufnahmen, dass die Wirkstoffe sich auf den Oberflächen der Hämozoin-Kristalle anreichern. Dies sollte die Bildung von Hämozoin-Kristallen behindern und so den Entgiftungsprozess der Plasmodien stören“, erklärt Kapishnikov. Diese Untersuchungen können auch mit weiteren Wirkstoffen aus den Wirkstoff-Familien der Chinoline und Artemisinine durchgeführt werden und wertvolle Hinweise für das Design von wirksamen Malaria-Therapien geben.
Originalveröffentlichung
"Mode of action of quinoline antimalarial drugs in red blood cells infected by Plasmodium falciparum, revealed in-vivo"; Sergey Kapishnikov, Trine Staalsø, Yang Yang, Jiwoong Lee, Ana J. Perez-Berna, Eva Pereiro, Yang Yang, Stephan Werner, Peter Guttmann, Leslie Leiserowitz, and Jens Als-Nielsen; PNAS; 2019
Meistgelesene News
Originalveröffentlichung
"Mode of action of quinoline antimalarial drugs in red blood cells infected by Plasmodium falciparum, revealed in-vivo"; Sergey Kapishnikov, Trine Staalsø, Yang Yang, Jiwoong Lee, Ana J. Perez-Berna, Eva Pereiro, Yang Yang, Stephan Werner, Peter Guttmann, Leslie Leiserowitz, and Jens Als-Nielsen; PNAS; 2019
Themen
Organisationen
Weitere News aus dem Ressort Wissenschaft
Holen Sie sich die Analytik- und Labortechnik-Branche in Ihren Posteingang
Mit dem Absenden des Formulars willigen Sie ein, dass Ihnen die LUMITOS AG den oder die oben ausgewählten Newsletter per E-Mail zusendet. Ihre Daten werden nicht an Dritte weitergegeben. Die Speicherung und Verarbeitung Ihrer Daten durch die LUMITOS AG erfolgt auf Basis unserer Datenschutzerklärung. LUMITOS darf Sie zum Zwecke der Werbung oder der Markt- und Meinungsforschung per E-Mail kontaktieren. Ihre Einwilligung können Sie jederzeit ohne Angabe von Gründen gegenüber der LUMITOS AG, Ernst-Augustin-Str. 2, 12489 Berlin oder per E-Mail unter widerruf@lumitos.com mit Wirkung für die Zukunft widerrufen. Zudem ist in jeder E-Mail ein Link zur Abbestellung des entsprechenden Newsletters enthalten.
Meistgelesene News
Weitere News von unseren anderen Portalen
Verwandte Inhalte finden Sie in den Themenwelten
Themenwelt Fluoreszenzmikroskopie
Die Fluoreszenzmikroskopie hat die Life Sciences, Biotechnologie und Pharmazie revolutioniert. Mit ihrer Fähigkeit, spezifische Moleküle und Strukturen in Zellen und Geweben durch fluoreszierende Marker sichtbar zu machen, bietet sie einzigartige Einblicke auf molekularer und zellulärer Ebene. Durch ihre hohe Sensitivität und Auflösung erleichtert die Fluoreszenzmikroskopie das Verständnis komplexer biologischer Prozesse und treibt Innovationen in Therapie und Diagnostik voran.
Themenwelt Fluoreszenzmikroskopie
Die Fluoreszenzmikroskopie hat die Life Sciences, Biotechnologie und Pharmazie revolutioniert. Mit ihrer Fähigkeit, spezifische Moleküle und Strukturen in Zellen und Geweben durch fluoreszierende Marker sichtbar zu machen, bietet sie einzigartige Einblicke auf molekularer und zellulärer Ebene. Durch ihre hohe Sensitivität und Auflösung erleichtert die Fluoreszenzmikroskopie das Verständnis komplexer biologischer Prozesse und treibt Innovationen in Therapie und Diagnostik voran.
Themenwelt Spektroskopie
Durch die Untersuchung mit Spektroskopie ermöglicht uns einzigartige Einblicke in die Zusammensetzung und Struktur von Materialien. Von der UV-Vis-Spektroskopie über die Infrarot- und Raman-Spektroskopie bis hin zur Fluoreszenz- und Atomabsorptionsspektroskopie - die Spektroskopie bietet uns ein breites Spektrum an analytischen Techniken, um Substanzen präzise zu charakterisieren. Tauchen Sie ein in die faszinierende Welt der Spektroskopie!
Themenwelt Spektroskopie
Durch die Untersuchung mit Spektroskopie ermöglicht uns einzigartige Einblicke in die Zusammensetzung und Struktur von Materialien. Von der UV-Vis-Spektroskopie über die Infrarot- und Raman-Spektroskopie bis hin zur Fluoreszenz- und Atomabsorptionsspektroskopie - die Spektroskopie bietet uns ein breites Spektrum an analytischen Techniken, um Substanzen präzise zu charakterisieren. Tauchen Sie ein in die faszinierende Welt der Spektroskopie!
Zuletzt betrachtete Inhalte
Eppendorf baut in Wismar neues Werk für Hightech-Kunststoffe zur Anwendung im Labor - Produktionsstart soll bis Ende des Jahres erfolgen
Elektronische digitale Messuhren überwachen und kalibrieren - Richtlinie VDI/VDE/DGQ 2618
Eingewickelte Silber-Häufchen - Kristallstruktur eines durch DNA stabilisierten Silber-Nanoclusters aufgeklärt
Eine optische Linse, die Gas spürt - Forschende der Friedrich-Schiller-Universität Jena stellen optische Linse aus Hybridglas her
Meilenstein für die medizinische Forschung: Neue Methode ermöglicht umfassende Identifizierung von Omega-Fettsäuren - Forscher der Universität Graz und der University of California, San Diego, präsentieren eine effektive Methode zur Bestimmung der Omega-Positionen von Lipiden in komplexen biologischen Proben, darunter menschliches Gewebe und Blut
RUB-Biophysiker erhält 1,2 Mio. Euro im Wettbewerb "Med. in NRW": Center for Vibrational Microscopy entsteht
Erstmals mikroskopisch messbar: Wie Biomoleküle auf Platzmangel reagieren - Sensor zeigt Enge in lebenden Zellen an
Geschäftsjahresabschluss der Firmengruppe WALDNER
Sartorius eröffnet Kompetenzzentrum für Bioanalytik in Ann Arbor - Herstellung von Geräten, Verbrauchsmaterialien und Reagenzien für die Zell- und Proteinanalyse
Photonics4Life präsentiert das Mini-Labor für unterwegs
Struktur von ATPase, der kleinsten Turbine der Welt, gelöst - Position der Permeabilitäts-Übergangspore gefunden