Weltspitze: Viskositätsmessung bis 2.300 °C

20.06.2006

Um die Eigenschaften von Legierungen zu optimieren bzw. gezielt zu verändern, sind genaue Kenntnisse der Materialparameter - sowohl der festen Legierung als auch der Schmelze - notwendig. Speziell bei Legierungen mit Schmelzpunkten über 1.400°C sind die Eigenschaften der flüssigen Phase noch weitgehend unbekannt. Dies verwundert besonders, wenn man bedenkt, dass weltweit etwa 80 Prozent aller metallischen Werkstoffe aus der Schmelze gewonnen werden. Eine wesentliche Eigenschaft von Schmelzen ist die von der Temperatur abhängige Viskosität - ein Maß für die Zähflüssigkeit der Schmelze.

Damit Wissenschaft und Industrie auf verlässliche Daten zur Viskosität von metallischen Schmelzen zurückgreifen können, wurde an der Professur Röntgen- und Neutronendiffraktometrie der Technischen Universität Chemnitz in den letzten beiden Jahren ein neues Messgerät entwickelt und getestet. Beauftragt wurden die Chemnitzer Physiker vom Zentrum für die Erstarrung unterkühlter Schmelzen am Institut für Raumsimulation des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln. "Ausschlaggebend für den Entwicklungsauftrag aus Köln waren die langjährigen Erfahrungen, die an der TU Chemnitz bei der Erforschung von Metallschmelzen vorhanden sind", berichtet Prof. Dr. Walter Hoyer, der das Forschungsprojekt leitete.

Bei dem neuen Messgerät handelt es sich um ein so genanntes Schwingtiegelviskosimeter. Diplom-Physiker Mirko Kehr, der dieses Gerät entwickelt hat, erläutert das schon länger bekannte Prinzip: "Ein mit Schmelze gefüllter, temperaturbeständiger Tiegel wird in Drehschwingungen um seine vertikale Achse versetzt. Dabei tritt ein aus dem heimischen Wasserglas bekannter Effekt auf: Das Gefäß bewegt sich, während die Flüssigkeit weitgehend im Ruhezustand verbleibt. Einmal in Schwingung versetzt, wird die Bewegung des Tiegels durch Reibung in der Schmelze immer weiter abgebremst. Aus der Größe dieser Dämpfung lässt sich dann die Viskosität der Schmelze bestimmen." Die Neuartigkeit des Gerätes der TU Chemnitz liege in den erreichbaren Temperaturen von bis zu 2.300°C und einem ausgeklügelten Vakuum- und Gasversorgungssystem, das den Arbeitsdruck über den gesamten Temperaturbereich konstant hält. "Mit dieser Maximaltemperatur ist das Gerät aus Chemnitz derzeit weltweit führend", versichert Prof. Hoyer. "Da bei diesen Temperaturen selbst die als sehr temperaturbeständig bekannte Aluminiumoxidkeramik flüssig ist, konnten in der heißen Zone des Gerätes nur noch Wolfram, Graphit und Bornitrid als Konstruktionsmaterialien eingesetzt werden. Speziell die Bearbeitung des Wolframs gestaltete sich dabei schwierig", so der Physiker.

Seit Anfang Mai 2006 befindet sich das Gerät im DLR und hat dort den regulären Messbetrieb aufgenommen. Um die beim Aufbau in Chemnitz gewonnenen Erfahrungen an die Wissenschaftler in Köln weiterzugeben, wird dort die Inbetriebnahme zwei Monate lang von Mirko Kehr begleitet.

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