Der Blick ins Atom
Mit Elektronenmikroskopen kann man einzelne Atome abbilden – ein Rechenmodell der TU Wien erklärt, wie man sogar ins Atom hineinsehen und einzelne Elektronen-Orbitale abbilden könnte.
Orbitale von Kohlenstoffatomen in Graphen
Copyright: TU Wien
Mit einem Elektronenmikroskop kann man nicht eben mal schnell ein Foto machen, wie mit der Handykamera. Ob und wie gut sich eine Struktur elektronenmikroskopisch abbilden lässt, hängt davon ab, wie gut man diese Struktur versteht. Um die Möglichkeiten der Elektronenmikroskopie voll auszuloten, sind oft komplizierte physikalische Berechnungen nötig. Ein internationales Forschungsteam, geleitet von Prof. Peter Schattschneider von der TU Wien analysierte nun die Möglichkeiten der Mikroskopietechnik EFTEM (energiegefilterte Transmissionienelektronenspektroskopie). Dabei konnte man zeigen, dass unter bestimmten Bedingungen sogar einzelne Elektronenorbitale eines Atoms gut abgebildet werden können - die Elektronenmikroskopie kann damit auf subatomare Größenordnung vordringen. Experimente dazu sind bereits geplant.
Auf der Suche nach dem Orbital
Oft stellt man sich Elektronen im Atom vor wie kleine Kügelchen, die den Atomkern umkreisen wie Miniaturplaneten eine Sonne – doch dieses Bild hat mit der Wirklichkeit meist nichts zu tun. Nach den Gesetzen der Quantenphysik hat ein Elektron zu einem bestimmten Zeitpunkt keinen fest definierbaren Aufenthaltsort, es ist gewissermaßen über einen bestimmten Bereich in der Nähe des Atomkerns verschmiert. Diesen Bereich, in dem sich das Elektron bevorzugt aufhält, nennt man Orbital. Die Form dieser Orbitale lässt sich schon lange gut berechnen – direkt abbilden konnte man sie bisher allerdings noch nicht.
„Wir haben berechnet, auf welche Weise eine Chance bestünde, die Orbitale mit einem Elektronenmikroskop sichtbar zu machen“, sagt Stefan Löffler von der Universitären Service-Einrichtung für Transmissions-Elektronenmikroskopie der TU Wien. „Ein ausgezeichneter Kandidat dafür ist Graphen, das nur aus einer Schicht von Kohlenstoffatomen besteht. Der Elektronenstrahl gelangt problemlos durch das Graphen hindurch, beinahe ohne elastische Streuung. Aus ihnen kann man dann ein Bild der Graphen-Struktur erstellen.“
Das Prinzip ist als „energiegefliterte Transmissionienelektronenspektroskopie“ (EFTEM) schon seit Längerem bekannt. Es kann ganz gezielt bestimmte Atomsorten sichtbar machen und andere ausblenden, daher wird es heute oft verwendet, um die chemische Zusammensetzung von Proben zu analysieren. „Die Elektronen, die durch die Probe hindurchgeschossen werden, können die Atome der Probe anregen“, erklärt Stefan Löffler. „Dabei geben sie eine für bestimmte Elektronen-Orbitale der Probe charakteristische Energie ab.“
Nach dem Durchtritt durch die Probe werden die Elektronen mit Hilfe eines magnetischen Feldes nach Energie sortiert. „Mit einer Blende werden die uninteressanten Elektronen ausgefiltert, nur jene Elektronen, welche die gewünschte Information tragen, verwendet man für die Bilderzeugung.“
Fehler sind nützlich
In Simulationsrechnungen untersuchte das Team, wie man diese Technik auf die Spitze treiben kann und fand dabei einen Fall, der sich tatsächlich zum Abbilden einzelner Orbitale eignet: „Man muss die Symmetrie im Graphen brechen“, sagt Stefan Löffler. „Wenn die Graphen-Struktur beispielsweise ein Loch hat, dann haben die Atome direkt neben diesem Loch eine etwas andere elektronische Struktur – und die Orbitale genau dieser Atome kann man abbilden. Dasselbe ist möglich, wenn irgendwo im Graphen statt eines Kohlenstoffatoms ein Stickstoffatom sitzt. Wichtig ist dabei, nur Elektronen eines genau passenden, engen Energiefensters zu berücksichtigen, bestimmte Aberrationen der elektromagnetischen Linse zu minimieren, und – nicht zuletzt – ein erstklassiges Elektronenmikroskop zu verwenden“. Aber all diese Probleme sind in den Griff zu bekommen, wie die Simulationsrechnungen der Forschungsgruppe zeigen.
Neben der TU Wien waren auch die Humboldt-Universität in Berlin und die Universität Ulm an der Studie beteiligt. In Ulm wird derzeit ein neues, leistungsfähiges Transmissionselektronenmikroskop entwickelt, an dem man die neuen Ideen demnächst umsetzen wird. Erste Ergebnisse übertreffen bereits die Erwartungen.
Originalveröffentlichung
Lorenzo Pardini, Stefan Löffler, Giulio Biddau, Ralf Hambach, Ute Kaiser, Claudia Draxl, and Peter Schattschneider; "Mapping Atomic Orbitals with the Transmission Electron Microscope: Images of Defective Graphene Predicted from First-Principles Theory"; Phys. Rev. Lett. 117, 036801 – Published 14 July 2016
Meistgelesene News
Originalveröffentlichung
Lorenzo Pardini, Stefan Löffler, Giulio Biddau, Ralf Hambach, Ute Kaiser, Claudia Draxl, and Peter Schattschneider; "Mapping Atomic Orbitals with the Transmission Electron Microscope: Images of Defective Graphene Predicted from First-Principles Theory"; Phys. Rev. Lett. 117, 036801 – Published 14 July 2016
Themen
Organisationen
Weitere News aus dem Ressort Wissenschaft
Holen Sie sich die Analytik- und Labortechnik-Branche in Ihren Posteingang
Mit dem Absenden des Formulars willigen Sie ein, dass Ihnen die LUMITOS AG den oder die oben ausgewählten Newsletter per E-Mail zusendet. Ihre Daten werden nicht an Dritte weitergegeben. Die Speicherung und Verarbeitung Ihrer Daten durch die LUMITOS AG erfolgt auf Basis unserer Datenschutzerklärung. LUMITOS darf Sie zum Zwecke der Werbung oder der Markt- und Meinungsforschung per E-Mail kontaktieren. Ihre Einwilligung können Sie jederzeit ohne Angabe von Gründen gegenüber der LUMITOS AG, Ernst-Augustin-Str. 2, 12489 Berlin oder per E-Mail unter widerruf@lumitos.com mit Wirkung für die Zukunft widerrufen. Zudem ist in jeder E-Mail ein Link zur Abbestellung des entsprechenden Newsletters enthalten.
Meistgelesene News
Weitere News von unseren anderen Portalen
Zuletzt betrachtete Inhalte
Erster containerbasierter Labortest für SARS-CoV-2 - Berliner Start-up entwickelt mobile Testlösung für Kommunen, Krankenhäuser und Unternehmen
Atomar scharfes Licht - Forscher messen erstmals exakte Form von Lichtwellen auf atomaren Längenskalen
Dem Virus beim Scheitern zusehen - Neue Methode detektiert sterbende Viren mittels Fluoreszenz: Erkenntnisse lassen sich zur Optimierung von Gesichtsmasken einsetzen
Jagd auf Fäkal-Bakterien in Wasser - Bakterien direkt anhand ihrer DNA nachweisen
Analytik im Verbraucherschutz - Kennzeichnungspflicht und Sicherheitsaspekte sind Themen der analytica conference 2018
AMETEK gründet neue Materials Analysis Division - SPECTRO Analytical Instruments und EDAX werden Geschäfsbereiche der neuen Materials Analysis Division
Kollaborative Roboter im Labor auf dem Vormarsch - SPECTARIS Trendforum Robotics 2024: Raus aus den Fabriken, rein in die Krankenhäuser, die Pflegeheime und ins Labor
Drogen in Zähnen nachgewiesen
Sensor in Größe eines Stickstoff-Atoms prüft Festplatten
Microtrac und MicrotracBEL werden Teil von VERDER Scientific
Fibrose sichtbar machen – bevor es zu spät ist - Mit geplanten ETH-Spin-off zur Marktreife