Explodierender Wasserstrahl im Röntgenlicht

Röntgenlaser eröffnet Blick auf ultraschnelle Prozesse in Physik, Biologie und Materialwissenschaften

05.01.2021 - Deutschland

Mit ultrakurzen Röntgenblitzen hat ein interdisziplinäres Forscherteam extrem schnell explodierende Wasserstrahlen abgelichtet. Ziel der Versuche am Europäischen Röntgenlaser European XFEL war, sehr kleinräumige und sehr kurze Prozesse per Röntgenholographie zu untersuchen. „Als Beispiel für so einen Prozess haben wir einen feinen Wasserstrahl gewählt, der von einem Infrarot-Laser an einer Stelle zum Explodieren gebracht wird“, sagt DESY-Forscher Johannes Hagemann, Hauptautor der Studie, die im Fachblatt „Journal of Synchrotron Radiation“ erschienen ist.

DESY, Johannes Hagemann et al.

Der Wasserstrahl 1, 5, 10 und 20 Nanosekunden nachdem er vom Infrarotlaser getroffen wurde.

„Um solche Prozesse aufzunehmen, muss das Blitzlicht deutlich kürzer sein als der Prozess selbst“, erläutert Hagemann. „Sonst wird das Bild durch die Eigenbewegung des Untersuchungsobjekts verwaschen.“ Der European XFEL erzeugt Röntgenblitze, die nur einige Dutzend Femtosekunden kurz sind. Eine Femtosekunde ist eine millionstel milliardstel Sekunde. An der Messstation MID (Materials Imaging and Dynamics) lichteten die Forscher damit einen nur 0,04 Millimeter feinen Wasserstrahl ab, der von einem starken Infrarot-Laser getroffen wird. Das infrarote Laserlicht erhitzt den Wasserstrahl an einer Stelle schlagartig, so dass er dort in nur 20 Nanosekunden verdampft. Eine Nanosekunde ist eine milliardstel Sekunde.

Die resultierenden Aufnahmen zeigen detailliert die Dynamik des explodierenden Wasserstrahls. „Um zu diesen Bildern zu kommen, mussten wir zwei Hürden überwinden“, schildert Hagemann aus der Gruppe von Christian Schroer, Leitender Wissenschaftler bei DESY und einer der Ko-Autoren der Veröffentlichung. „Zum einen ist die Beleuchtung durch die Röntgenblitze nicht konstant, sondern fluktuiert stetig. Zum anderen bekommen wir zunächst nur Hologramme, keine echten Bilder, weil es für Röntgenstrahlen nicht solche hochqualitativen Linsen gibt wie für sichtbares Licht, die etwa in einer Kamera das Bild erzeugen.”

Um die erste Hürde zu meistern, machten die Wissenschaftler zahlreiche Aufnahmen mit der springenden Beleuchtung und entwickelten daraus ein mathematisches Modell. „Damit ist es im Nachhinein möglich, die Beleuchtung bei einer beliebigen Messung zu beschreiben“, sagt Hagemann. „Und erst damit lässt sich die zweite Hürde überwinden.“ Die mit Hilfe des Beleuchtungsmodells gewonnenen Hologramme müssen numerisch rekonstruiert werden, um das eigentliche Bild des Wasserstrahls und seiner Explosion zu erhalten. „Dies ist zunächst zusätzlicher Aufwand, der sich aber auszahlt“, erläutert Hagemann. „Die erhaltenen Bilder sind nämlich nicht nur einfach Bilder, sondern eine Messung der Elektronendichte des abgebildeten Objekts. Damit lassen sich beispielsweise Regionen mit einer höheren Dichte identifizieren, wie sie bei Schockvorgängen auftritt. Außerdem lassen sich aus der Dichte noch weitere physikalische Größen wie Druck oder Temperatur ableiten.“

Der explodierende Wasserstrahl ist dabei nicht nur ein Modellsystem, sondern hat auch praktische Bedeutung. Zum einen wird die schnelle Verdampfung durch kurze Laserpulse auch für medizinische Operationen genutzt, zum anderen werden per Wasserstrahl oft biologische Proben wie beispielsweise Proteinkristalle in den Strahl des Röntgenlasers transportiert, um deren Struktur zu erkunden. Mit diesem Experiment ließ sich nun zeigen, dass sich diese feinen Wasserstrahlen auch eigenen, um größere Objekte wie intakte lebende Zellen in den Röntgenstrahl zu bringen. Der Vorteil: Die Zellen bleiben quasi in wässeriger Umgebung wie im Körper. Sie müssen nicht fixiert oder getrocknet werden.

Die erfolgreiche Abbildung mit dem Röntgenlaser eröffnet nun zahlreiche Untersuchungsmöglichkeiten. „Wir wollen in Zukunft mit dieser Bildgebungstechnik weitere schnelle Prozesse auch in biologischer und weicher Materie im Wasser abbilden“, sagt Forschungsleiter Tim Salditt von der Universität Göttingen.

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