Organ-on-a-Chip-Technologie bietet eine Alternative zu Tierversuchen

Gründer im Interview: Dynamic42

27.10.2021 - Deutschland

Die Dynamic42 GmbH ist ein Auftragsforschungsunternehmen im sich schnell entwickelnden Organ-on-Chip-Markt. Das Start-Up entwickelt humane, dreidimensionale invitro-Testsysteme (Organe auf Biochips), mit denen die Wirkung potenzieller Arzneimittelwirkstoffe und Chemikalien auf den menschlichen Organismus untersucht wird. Dazu produziert das Unternehmen eigene, optimierte mikrofluidische Biochips, die die Qualität und die Aussagekraft der Organ-on-Chip-Modelle deutlich verbessern. Ferner entwickelt Dynamic42 kundenspezifische biochip-basierte Organmodelle (Krankheits- und Infektionsmodelle). Dabei umfasst das Portfolio Blutgefäß-, Leber-, Darm- und Lungenmodelle.

Dynamic42 GmbH

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Side-Fact: Bei der Namensgebung des Unternehmens ließen sich die Gründer von Douglas Adams‘ Science-Fiction-Roman „Per Anhalter durch die Galaxis“ inspirieren, in dem die Zahl 42 stets die „Antwort auf die Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest“ ist.

Welche Herausforderung löst Dynamic42? Was ist Eure große Vision?

Bevor Medikamente oder Lebensmittel auf den Markt kommen, müssen die Hersteller testen, ob alle Inhaltsstoffe für uns Menschen unbedenklich sind.

Bis heute werden diese Tests oft an Tieren durchgeführt – mit zum Teil schmerzhaften oder tödlichen Folgen für sie. Dabei gilt die Übertragbarkeit der Ergebnisse von Tierversuchen auf den Menschen generell als fraglich. So gibt es besipielsweise keine hundertprozentige Sicherheit, dass die Reaktion einer Labormaus auf bestimmte Wirkstoffe mit der des Menschen übereinstimmt. Da Tierversuche zudem viele Kosten mit sich bringen und es einen hohen bürokratischen Aufwand bedeutet, eigene Labortiere zu halten, besteht schon lange die Frage, warum dies noch aktueller Standard ist.

Wir von Dynamic42 bieten mit dem Organ-on-Chip-Verfahren eine Alternative zu diesen Tierversuchen und möchten dazu beitragen, neue Medikamente und Lebensmittel sicher, rentabel und ethisch vertretbar zur Marktreife zu führen.

Wie seid Ihr auf die Idee gekommen?

Vor zwölf Jahren haben wir am Universitätsklinikum Jena an der Krankheit Atherosklerose (Gefäßverkalkung) geforscht. Um unsere Forschung weiterzuverfolgen, hätten wir jedoch komplexere Untersuchungsmodelle, wie Tiere, benötigt. Ein Kollege besuchte dafür einen Qualifikationskurs, um Tierversuche durchführen zu dürfen. Er berichtete, dass ihm eine Ratte allein aufgrund des Stresses in der Hand starb. Das war für uns der Auslöser, nach einer humaneren Alternative zu suchen. Damals fanden wir keine. Also begannen wir, sie selbst zu entwickeln.

Wie war Euer Entwicklungsprozess? Was waren die größten Herausforderungen und Rückschläge?

Zwischen 2015 und 2018 entwickelten wir unsere Start-Up-Idee „OrganiX“. Diese sollte ein EXIST-Forschungstransfer-Projekt werden. Der Antrag dazu wurde nicht bewilligt. Wir wollten uns aber unbedingt ausgründen, da sich bereits reges Interesse an unserem Lebermodell zeigte.

Im Jahr 2018 war es soweit. Unser heutiger Geschäftsführer Knut war damals als einzige Person im Unternehmen angestellt. Wir mussten im ersten Unternehmensjahr zudem ohne Venture Capital auskommen, weshalb wir froh waren, dass wir einen Entwicklungsauftrag bekamen. Danach konnten wir drei Investoren von uns und unserem Unternehmenskonzept überzeugen. Seitdem erreichen wir einen Meilenstein nach dem nächsten und hatten bisher glücklicherweise noch keinen richtigen Rückschlag - nur die Corona-Pandemie hat uns gebremst.

Was waren die größten Erfolge?

  • Anwachsen des Teams auf mehr als 10 Mitarbeitende
  • Abschluss der ersten Finanzierungsrunde
  • Aufbau und Etablierung der eigenen Biochipproduktion
  • Erster Großauftrag eines Pharmaunternehmens im Jahr 2020
  • Bezug eigener Geschäfts- und Laborräume im BioInstrumenteZentrum Jena
  • Erfolgreiche Zertifizierung nach ISO9001:2015

Wie war die Reaktion des Markts und der Branche?

Unsere Organ-on-Chip-Plattform wird sehr gut angenommen. Gegenüber anderen Anbietern sind wir in den Bereichen Qualität und Preis einfach unschlagbar. Wir erfahren ein großes Interesse von Pharmaunternehmen an unseren Organmodellen. Dazu tragen die Besonderheiten unserer Chips, wie die Integration von Immunzellen, maßgeblich bei. Dieses Interesse ist für uns als junges Unternehmen ein Zeichen, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Würdet Ihr diesen Weg wieder gehen - oder gibt es etwas, was Ihr anders machen würdet?

Natürlich lernen wir täglich dazu und haben viele Erfahrungen in wirtschaftlichen Bereichen machen können, mit denen man als Naturwissenschaftler sonst nichts zu tun hat. Würden wir noch einmal gründen, wäre vor allem das Selbstbewusstsein in Verhandlungen größer.

Was können andere von Eurer Start-up-Geschichte lernen?

Wenn ihr eine zündende Idee habt und von dem Erfolg dieser überzeugt seid, verfolgt sie. Es lohnt sich auf jeden Fall Gründer- und Businessplan-Wettbewerbe mitzumachen. Dort erfährt man schnell, ob man sich selbst in der Geschäftswelt wohl fühlt und welche Chancen die eigene Idee bzw. das Konzept hat.

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