Den Brustkrebs riechen - Atemgasanalyse im Krebsforschungszentrum ONCOTYROL

13.07.2009 - Österreich

Schon die alten Griechen wussten, dass man Krankheiten am Atem der Patienten erkennen kann. Heute versuchen Wissenschaftler, daran anzuknüpfen und das intuitive Wissen der Antike auf eine naturwissenschaftlich fundierte Basis zu stellen. Mit Hilfe modernster Massenspektrometer ist es möglich, die ausgeatmete Luft eines Menschen auf ihre Bestandteile hin zu untersuchen. Es geht darum, Biomarker zu finden, die eine Krankheit wie Lungenkrebs, Brustkrebs, Leberversagen oder Störungen der Nierenfunktion bereits im Frühstadium anzeigen. Die Firma Ionimed in Innsbruck hat im Rahmen des von der österreichischen Bundesregierung geförderten K_ind-Programms solche Analysesysteme entwickelt. Diese sollen nun im Krebsforschungszentrum Oncotyrol bei der Suche nach Brustkrebs-Biomarkern helfen. Eine Publikation der Ionimed Analytik und des Instituts für Ionenphysik der Universität Innsbruck wurde nun vom Journal of Breath Research unter die 10 Top Stories des Jahres 2008 gewählt.

Im menschlichen Atem befinden sich Hunderte kleiner, flüchtiger Moleküle, die aus dem Blut der Lungen durch die dünnen Gefäßwände hindurchgetreten sind. Meist handelt es sich um Abbauprodukte, sogenannte Metaboliten, die der Stoffwechsel produziert. Erst in den letzten zehn Jahren ist es technisch möglich geworden, viele dieser Spurenstoffe nachzuweisen und ihre Mengen zu bestimmen. Ein Massenspektrometer trennt Gase in seine Bestandteile auf, indem es sie nach ihrem Verhältnis von Masse zu Ladung sortiert. Die von der Firma Ionimed entwickelten Atemgasanalyse-Systeme sind dabei so empfindlich, dass sie ein Molekül unter 100 Milliarden anderen Molekülen aufspüren können. Dabei verwenden sie eine Technik namens Protonen-Transfer-Reaktions-Massenspektrometrie (PTR-MS). Der Vorteil dieser Technik ist, dass der Patient hineinbläst und die Atemluft sofort - in „Echtzeit“ - analysiert werden kann. Es ist also keine weitere Probenbearbeitung vor der Messung nötig.

Eine solche „Echtzeitmessung“ muss vor allem schnell gehen und den Patienten möglichst wenig belasten. Bei längeren Messungen kann es dazu kommen, dass Patienten hyperventilieren. In der Veröffentlichung, die nun ausgezeichnet wurde, beschreibt Jens Herbig von Ionimed die Entwicklung eines Mundstücks bzw. eines Probenahmesystems, das eine besonders rasche und zuverlässige Echtzeitmessung des Atemgases ermöglicht. Dieses Mundstück wurde im Rahmen des K_ind-Programms entwickelt, welches von der CEMIT Center of Excellence in Medicine and IT gemanagt wird. Es wird in ONCOTYROL Center for Personalized Cancer Medicine angewandt, um Marker für Brustkrebs zu finden.

Das Folgeprojekt in ONCOTYROL wird gemeinsam mit Prof. Christian Marth von der Medizinischen Universität Innsbruck durchgeführt. Es geht darum herauszufinden, ob die Atemgasanalyse als schmerzlose, minimal invasive, schnelle und kostengünstige Screeningmethode für Brustkrebs geeignet ist und ob sie die derzeit gängigen Vorsorgeverfahren wie die Mammographie und Ultraschall ergänzen kann. Auch untersuchen die Wissenschaftler, ob die Atemgasdaten Auskunft über die Größe oder Aggressivität des Tumors geben können. Zudem wird nach Biomarkern im Atemgas gesucht, die den Verlauf der Erkrankung oder die Wirkung der Therapie anzeigen können oder vorhersagen können.

„Wir wissen, dass Hunde riechen können, ob jemand Krebs hat“, sagt Ingrid Kohl, Direktorin für Forschung bei Ionimed. Sie verweist dabei auf eine publizierte Studie, nach der die Tiere vor allem Lungenkrebs-, aber auch Brustkrebs-Patienten von gesunden Probanden unterscheiden können. „Hunde haben sozusagen ein eingebautes Mustererkennungsprogramm für einen spezifischen Geruch - genau dies versuchen wir technisch auch hinzukriegen“, sagt die Chemikerin.

Noch wird die Atemluftanalyse nur in Einzelfällen als Untersuchungsmethode angewandt. Bei der amerikanischen Zulassungsbehörde FDA sind Verfahren zum Nachweis von Magengeschwüren und Asthma sowie von Herztransplantat-Abstoßungen zugelassen.

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