RUB-Biophysiker erhält 1,2 Mio. Euro im Wettbewerb "Med. in NRW": Center for Vibrational Microscopy entsteht

10.12.2009 - Deutschland

Prof. Dr. Klaus Gewert (Lehrstuhl für Biophysik der Ruhr-Universität) wird auf dem Gesundheitscampus NRW in Bochum ein Center for Vibrational Microspcopy (CVM) gründen. Mit dem Projektantrag gehört er zu den Siegern des Wettbewerbs "Med. in NRW", in dem er sich unter 235 Anträgen durchgesetzt hat. Am 07.12.2009 erhielt er den Förderbescheid über 1,2 Mio. Euro für drei Jahre von NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (MAGS). Die am Lehrstuhl für Biophysik entwickelten vibrationsspektroskopischen Methoden können mit bisher unerreichter Empfindlichkeit und Schnelligkeit Veränderungen in Proteinen nachweisen. Einsatzgebiet ist die Früherkennung von Darmkrebs.

"Fingerabdruck" zeigt das Krankheitsstadium

Mit den am Lehrstuhl für Biophysik der RUB entwickelten infrarot- und ramanspektroskopischen Verfahren lassen sich komplementär zur Fluoreszenspektroskopie sehr viel detailliertere Aussagen über die Interaktion von Proteinen treffen - insbesondere zur Charakterisierung von Körperflüssigkeiten und Gewebeschnitten. In bisherigen Ansätzen müssen Gewebeproben aufwändig angefärbt werden. Mit Hilfe der Vibrationsspektroskopie kann man die Proben direkt biochemisch charakterisieren und so zum Beispiel Tumorzellen identifizieren. Die Spektren sind dabei ein charakteristischer "Fingerabdruck". Diesen wollen die Forscher um Prof. Gerwert als systemische Biomarker zur Charakterisierung von Darmerkrankungen, insbesondere Krebs, nutzen. Veränderungen im Darmgewebe sollen sich zum Beispiel eindeutig verschiedenen Krankheitsstadien zuordnen lassen. Dabei arbeitet das Team eng mit dem RUB-Gastroenterologen Prof. Dr. Wolff Schmiegel sowie mit der RUB-Pathologin Prof. Dr. Andrea Tannapfel und dem Ramanspektroskopie-Experten Dr. Volker Deckert zusammen.

Medikamentenwirkung erforschen

Daneben soll im CVM die so genannte ATR-(attenuated total reflection) Technik die Untersuchung der Wirkung von Medikamenten auf die krankmachenden "defekten" Proteine möglich machen. Dabei werden die Proteine an eine Oberfläche gebunden und die Wirkstoffe über die Proteine gegeben. Mit Hilfe der FTIR-ATR-Spektroskopie können die Proteinveränderungen dann mit atomarer Auflösung bestimmt werden. Bisher konnte man die Wirkung nur indirekt mit langen Reporter-Protein-Signalketten überprüfen. Die neue Technik soll es ermöglichen, gezielter wirkende Medikamente mit weniger Nebenwirkungen für eine personalisierte Medizin zu entwickeln.

Hochqualifizierte Arbeitsplätze, sinkende Behandlungskosten

"Der gesamtwirtschaftliche Nutzen ist bei erfolgreicher Projektrealisation sehr hoch", schätzt Prof. Gerwert. Es wird eine kostengünstige Diagnosemethodik zur Verfügung stehen, die eine frühzeitige Erkennung von Risikofaktoren erlaubt. Weiterhin können sie zur quantitativen Überprüfung des Therapieverlaufs eingesetzt werden. "Das wird sich sowohl positiv für den Patienten auswirken als auch zu Einsparungen bei den Behandlungskosten führen", so Gerwert. Darüber hinaus können mittelfristig neue, hochqualifizierte Arbeitsplätze auf dem Gesundheitscampus entstehen.

Hochaufgelöste Proteininteraktion

Für die Entwicklung der vibrationsspektroskopischen Methode trFTIR hat Prof. Gerwert mehrere Auszeichnungen erhalten, unter anderem den Innovationspreis Ruhr 2006. Mit dem Verfahren lassen sich Reaktionsmechanismen insbesondere von Membran-Proteinen aufklären, aber auch Protein-Protein-Interaktionen räumlich und zeitlich mit höchstmöglicher Auflösung zeigen und so das komplexe dynamische Wechselspiel der Proteine auf atomarer Ebene bestimmen. Heute eingesetzte Methoden, die sogenannte "Proteomik" und "strukturelle Genomik", können zwar Proteine identifizieren und die atomare Struktur von Proteinen auflösen, nicht aber deren Dynamik. Es konnte bisher eine Art "Schnappschuss" vom eingefrorenen Protein aufgenommen werden. Die Bochumer trFTIR macht dagegen das Funktionieren von Proteinen und ihre dynamischen Interaktionen in Netzwerken sichtbar. "Man schaut quasi durch ein Nanoskop in Echtzeit in die Proteinnanowelt", so Prof. Gerwert. Damit kann die trFTIR zu einem komplementären Werkzeug zur Fluoreszensspektroskopie in der Systembiologie werden, da sie im Prinzip auch an Zellmembranen und an der lebenden Zelle eingesetzt werden kann, um Veränderungen, zum Beispiel Zellwachstum, frühzeitig zu erkennen. Die trFTIR ermöglicht dies in bisher unerreichter Empfindlichkeit und Schnelligkeit.

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