Studie zeigt: Sexualhormon verursacht molekulare Signatur, die das Geschlecht besser anzeigt als Chromosomen

19.10.2007

Bei der Bestimmung des Geschlechts von Menschen mit Störungen der Geschlechtsentwicklung (früher = Intersexualität), deren körperliche Merkmale nicht mit ihren Geschlechtschromosomen übereinstimmen, könnten in Zukunft neue diagnostische Möglichkeiten dank der Entdeckung einer dauerhaften Sexualhormon-Signatur in unseren Zellen entwickelt werden.

In einem Artikel zeigen Forscher zum ersten Mal, dass Testosteron eine bleibende molekulare Signatur in Zellen hinterlässt. Dies könnte zukünftig eine differenziertere Betrachtungsweise des Geschlechts liefern, als die alleinige Untersuchung der Geschlechtschromosomen. Ein Forschungsteam aus den Vereinigten Staaten und Deutschland konnte die Rolle von Testosteron hierbei aufzeigen, indem Personen mit kompletter Androgenresistenz (Complete Androgen Insentivity Syndrome = CAIS) mit Personen ohne CAIS verglichen wurden. Die Ergebnisse schaffen die Ausgangsbasis für künftige Arbeiten, die zu einer verbesserten Beratung für Menschen mit unklarer Geschlechtszuweisung beitragen könnten.

Der leitende Forscher, Professor Paul-Martin Holterhus vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Kiel, sagt dazu: "Männliche Geschlechtshormone, also Androgene, haben bleibende Wirkungen während bestimmter sensitiver Zeitfenster unserer Geschlechtsentwicklung und dies betrifft wahrscheinlich nicht nur das Genitale, sondern auch andere Organe." Er fügt hinzu: "Es wird zunehmend akzeptiert, dass das Gehirn in An- oder Abwesenheit von Testosteron eine geschlechtsspezifische Entwicklung durchmacht. Dies betrifft geschlechtsspezifisches Verhalten und beeinflusst wahrscheinlich auch die geschlechtliche Identität."

Die Rolle von Androgenen - besonders die von Testosteron - in der sexuellen Entwicklung ist seit langem bekannt. Die "Progammierung" des Geschlechts beginnt im Embryo und geht nach unseren Vorstellungen im Laufe des Lebens weiter, auch in der Pubertät. Was zurzeit nicht bekannt ist, ist die unterschiedliche Rolle genetischer und chromosomaler Faktoren (Geschlechtschromosomen) gegenüber langfristigen programmierenden Effekten von Sexualhormonen, den Androgenen.

Personen mit CAIS, das etwa einen von 20.000 Menschen betrifft, sehen wie normale Frauen aus. Auf genetischer Ebene haben CAIS-Frauen jedoch XY-Chromosomen anstelle der üblichen XX-Chromosomen. Die Ursache sind Mutationen im Gen, das für den Androgenrezeptor kodiert, was bedeutet, dass die Signale der männlichen Geschlechtshormone nicht wirken können. Die Wirkung des Testosterons wird quasi außer Kraft gesetzt. Die Forscher untersuchten Hautproben der äußeren Genitalien, um den molekularen "Fingerabdruck" von normalen Männern und CAIS-Frauen zu vergleichen. Die Analysen zeigten, dass zwischen Männern und CAIS-Frauen etwa 440 Gene in ihrem Transkriptions-Grad, also dem Ausmaß wie diese abgelesen werden, unterschiedlich sind. Dadurch wird eine spezielle "Signatur" gebildet, die die Forscher nutzten, um Proben des "Partial Androgen Insensitivity Syndrome" (PAIS) zu bewerten. Die neue Methode könnte weiterentwickelt werden, um die Störung der Geschlechtsentwicklung individueller Menschen mit Androgenresistenz besser zu verstehen.

"Da wir XY-Frauen mit XY-Männern verglichen, kann der Unterschied nur durch die unterschiedliche Aktivität von Androgenen und nicht durch unterschiedliche Geschlechtschromosomen erklärt werden", erläutert Paul-Martin Holterhus. "Eine weitere Beobachtung ist, dass die einzige Frau mit einem weiblichen 46, XX Genotyp in unserer Studie bezüglich der identifizierten Gene nicht sehr in ihrer Signatur von den XY-Frauen abwich. Diese Beobachtung relativiert die Rolle der Geschlechtschromosomen in der Definition des Geschlechts."

Die Studie wurde mit Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützt.

Originalveröffentlichung: Paul-Martin Holterhus, Uta Deppe, Ralf Werner, Annette Richter-Unruh, Jan-Hendrik Bebermeier, Lutz Wunsch, Susanne Krege, Hans-Udo Schweikert, Janos Demeter, Felix Riepe, Olaf Hiort and James D Brooks; "Intrinsic androgen-dependent gene expression patterns revealed by comparison of genital fibroblasts from normal males and individuals with complete and partial androgen insensitivity syndrome"; BMC Genomics 2007.

Weitere News aus dem Ressort Wissenschaft

Meistgelesene News

Weitere News von unseren anderen Portalen

Unter die Lupe genommen: Die Welt der Mikroskopie