Hohe Auflösung mit einfachen Mitteln

Neues Mikroskopieverfahren

09.04.2014 - Deutschland

Ein von Wissenschaftlern der Technischen Universität Braunschweig und der Georg-August-Universität Göttingen entwickeltes Mikroskopieverfahren unterschreitet die traditionellen physikalischen Grenzen der Fluoreszenzmikroskopie um ein Vielfaches. Das hochauflösende und besonders einfach anzuwendende Verfahren ermöglicht zum Beispiel sehr genaue Einblicke in diejenigen Bestandteile von Nervenzellen, die bei Lern- und Gedächtnisvorgängen eine entscheidende Rolle spielen. In der Fachzeitschrift „Nature Methods“ stellen die Wissenschaftler ihre neusten Forschungsergebnisse vor.

TU Braunschweig/Frank Bierstedt

Nour Hafi und Laura van den Heuvel vom Institut für Physikalische und Theoretische Chemiearbeiten arbeiten an der Entwicklung des neuen Mikroskopieverfahrens.

TU Braunschweig

Vergleich: links die herkömmliche Methode und rechts hochaufgelöst mit dem neuen Verfahren. Vergrößert: Dornenapparat als Punkt innerhalb eines dendritischen Dornfortsatzes.

TU Braunschweig/Frank Bierstedt
TU Braunschweig

Die Fluoreszenzmikroskopie ist eine in der Medizin und Biologie häufig eingesetzte Methode. Mit ihrer Hilfe werden unter der Anwendung von Farbstoffen bestimmte Zellbestandteile bis zu einer Größe von ca. 300 Nanometern sichtbar gemacht. DNA, Proteine und andere wichtige Schlüsselbestandteile können mit dieser Methode aber nicht aufgelöst werden, da ihre Größe unter der physikalischen Grenze der herkömmlichen Methode liegt. Jedoch sind gerade sie für das Verständnis des Innenlebens einer Zelle wichtig.

"Neuartige Verfahren haben diese Grenze zwar schon unterschritten, allerdings benötigen sie dafür oft sehr aufwändige, teure und empfindliche optische Aufbauten oder besondere Verfahren bei der Herstellung der Proben", erläutert Prof. Peter Jomo Walla vom Institut für Physikalische und Theoretische Chemie der Technischen Universität Braunschweig. Ein wichtiger Vorteil des neuen Verfahrens besteht darin, dass es prinzipiell auf jede Farbstoffmarkierung angewendet werden kann, die Mediziner oder Biologen routinemäßig in ihren Laboren einsetzen und somit keine spezielle Behandlung der Proben für eine Hochauflösung erforderlich ist.

Mit dem neuen, sehr einfachen Verfahren ist es dem Team von Prof. Walla zusammen mit der Arbeitsgruppe von Prof. Axel Munk am Felix-Bernstein-Institut für Mathematische Statistik in den Biowissenschaften der Universität Göttingen gelungen, Auflösungen von besser als 50 Nanometer zu erreichen. "Unser Forschungsziel", so Prof. Walla, "ist es, ein einfaches aber hochauflösendes Fluoreszenzmikroskopieverfahren zu entwickeln, das auch in ganz normalen medizinischen oder biologischen Labors ohne große Expertenhilfe eingesetzt werden kann. Die Forscher können sich dann mehr auf die eigentliche wissenschaftliche Fragestellung konzentrieren, anstatt auf die dafür erforderliche Technologie.“

Hohe Auflösung durch Mathematische Statistik

Auf der Grundlage herkömmlicher Fluoreszenzmikroskopie machten es sich die Braunschweiger Forscher zunutze, dass sich die meisten Farbstoffe zufällig und unterschiedlich räumlich orientieren. Dafür entwickelte das Team um Prof. Walla einen neuartigen aber einfachen optischen Trick, um Farbstoffe verschiedener Orientierung ganz besonders genau zu unterscheiden. Dies ermöglicht es, Farbstoffe oder Farbstoffgruppen an verschiedenen Stellen der Struktur jeweils anhand ihrer Orientierung zu selektieren und genauer zu lokalisieren. Diese mit höherer Auflösung lokalisierten Bereiche verschiedener Orientierung müssen dann am Schluss wieder zu einem hochaufgelösten Gesamtbild zusammengesetzt werden.

Ein wichtiger Durchbruch gelang den Braunschweiger Forschern dabei mit Hilfe eines von den Göttinger Mathematikern Prof. Axel Munk und Dr. Timo Aspelmeier speziell hierfür entwickelten statistischen Rekonstruktionsverfahrens. Dabei müsse das Bild von vielen Störungen bereinigt werden, erläutert Prof. Munk, der auch am Max Planck Institut für Biophysikalische Chemie forscht. „Das ist gewissermaßen wie ein kompliziertes Puzzle, bei dem jemand auch noch Teile in den Karton geworfen hat, die gar nicht dazu gehören“, so Prof. Munk. Dabei machten sich die Mathematiker eine in den letzten Jahren entwickelte Theorie zunutze – die sogenannte sparse statistische Methode.

Vom ersten Konzept bis hin zum funktionierenden Mikroskop sei es ein langer Weg gewesen, der sich aber mehr als gelohnt hätte, erklären die beiden Wissenschaftler, die bereits seit mehreren Jahren im Rahmen eines DFG-Sonderforschungsbereichs zur Erforschung von Zellmembranen zusammenarbeiten.

Mit Nervenzellen erfolgreich getestet

Die Möglichkeiten des neuen Mikroskopieverfahrens konnten die Forscher zusammen mit Prof. Martin Korte und seinem Team vom Institut für Zoologie der TU Braunschweig testen. Dabei gelang es ihnen, die Membran von Nervenzellen und ihren sogenannten dendritischen Dornfortsätzen, die für die Kommunikation zwischen Nervenzellen zuständig sind, mit sehr hoher Auflösung darzustellen. Da diese allerdings oft Strukturen von unter 100 Nanometern aufweisen, können wichtige Details mit herkömmlichen Fluoreszenzmethoden nur schwer aufgelöst werden. Mit dem neuen Verfahren konnte nun sogar der sogenannte Dornenapparat hochauflösend sichtbar gemacht werden, der in Nervenzellen unter anderem bei Lern- und Gedächtnisvorgängen eine wichtige Rolle spielt.

Zum weiteren Verlauf des Forschungsprojektes erklärt Prof. Walla: „Mit der Entwicklung unserer ersten Prototypen sind wir dem Ziel einen sehr großen Schritt nähergekommen. Jetzt arbeiten wir mit der Göttinger Arbeitsgruppe von Prof. Munk an weiteren Verbesserungen, zum Beispiel an noch besseren Rekonstruktionsverfahren und Computeralgorithmen. Wir wollen damit alle zur Verfügung stehenden Signalinformationen der neuen Methode vollständig auszunutzen, etwa um noch schnellere Bildfolgen zu erreichen. Hier ist noch viel Potenzial für Verbesserungen in der Zukunft.“

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