Elektronenoptik aus Licht
Adaptive Bildgebungstechnik für Materialwissenschaft und Strukturbiologie
Eine neue Technik, die Elektronenmikroskopie und Lasertechnologie kombiniert, ermöglicht die programmierbare Modulation von Elektronenstrahlen. Sie kann zur Optimierung der Elektronenoptik und für die adaptive Elektronenmikroskopie eingesetzt werden, um die Empfindlichkeit zu maximieren und gleichzeitig die durch den Strahl verursachten Schäden zu minimieren. Diese grundlegende und bahnbrechende Technologie wurde nun von Forscher*innen der Universität Wien und der Universität Siegen demonstriert. Die Ergebnisse sind in PRX veröffentlicht.
Jüngste Experimente an der Universität Wien zeigen, dass man mit Licht (rot) Elektronenstrahlen (gelb) beliebig formen kann, was neue Möglichkeiten in der Elektronenmikroskopie und Metrologie eröffnet.
© stefaneder.at, University of Vienna
Wenn Licht turbulentes oder dichtes Material, z. B. die Erdatmosphäre oder ein millimeterdickes Gewebe, durchdringt, kommt es bei herkömmlichen Bildgebungsverfahren zu erheblichen Einschränkungen der Abbildungsqualität. Wissenschaftler*innen platzieren daher verformbare Spiegel im optischen Pfad des Teleskops oder Mikroskops, die die unerwünschten Effekte ausgleichen. Diese so genannte "adaptive Optik" hat zu zahlreichen Durchbrüchen in der Astronomie und bei der Abbildung von tiefen Gewebsschichten geführt.
Dieses Maß an Kontrolle wurde in der Elektronenoptik jedoch noch nicht erreicht, obwohl viele Anwendungen in der Materialwissenschaft und Strukturbiologie dies erfordern. In der Elektronenoptik verwenden Wissenschaftler*innen Elektronenstrahlen anstelle von Licht, um Strukturen mit atomarer Auflösung abzubilden. Normalerweise werden statische elektromagnetische Felder verwendet, um die Elektronenstrahlen zu lenken und zu fokussieren.
In einer neuen Studie in PRX haben Forscher*innen der Universität Wien von der Fakultät für Physik und den Max Perutz Labs sowie der Universität Siegen nun gezeigt, dass sie Elektronenstrahlen, mit Hilfe hochintensiver, geformter Lichtfelder, welche Elektronen abstoßen, nahezu beliebig ablenken können. Kapitza und Dirac sagten diesen Effekt erstmals 1933 voraus, und die ersten experimentellen Demonstrationen (Bucksbaum et al., 1988, Freimund et al., 2001) wurden mit dem Aufkommen von hochintensiven gepulsten Lasern möglich.
Das Wiener Experiment macht sich nun unsere Fähigkeit zunutze, Licht zu formen. Ein Laserpuls wird durch einen räumlichen Lichtmodulator geformt und wechselwirkt in einem modifizierten Rasterelektronenmikroskop mit einem entgegengerichteten, synchronisierten Elektronenstrahl. Auf diese Weise können der Elektronenwelle auf Knopfdruck beliebige transversale Phasenschubmuster aufgeprägt werden, was eine noch nie dagewesene Kontrolle über Elektronenstrahlen ermöglicht.
Das Potenzial dieser innovativen Technologie wird durch die Erzeugung konvexer und konkaver Elektronenlinsen und durch die Erzeugung komplexer Elektronenintensitätsverteilungen demonstriert. Der Hauptautor der Studie, Marius Constantin Chirita Mihaila, erklärt: "Wir schreiben mit dem Laserstrahl in der transversalen Phase der Elektronenwelle. Unsere Experimente ebnen den Weg für die Wellenfrontformung in gepulsten Elektronenmikroskopen mit Tausenden von programmierbaren Pixeln. In Zukunft könnten Teile des Elektronenmikroskops aus Licht bestehen."
Im Gegensatz zu anderen konkurrierenden Technologien zur Elektronenmodulation ist das Verfahren programmierbar und vermeidet Verluste, inelastische Streuung und Instabilitäten, welche in materiellen Beugungselementen auftreten können. Thomas Juffmann, Leiter der Gruppe an der Universität Wien, fügt hinzu: "Unsere Technik ermöglicht die Aberrationskorrektur von gepulsten Elektronenmikroskopen, sowie adaptive Abbildungsverfahren. Bei Letzteren wird das Mikroskop an die Probe angepasst um die Empfindlichkeit zu maximieren."
Originalveröffentlichung
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