Neue Gruppe von antibakteriellen Molekülen entdeckt

Internationale Forschungsgruppe identifiziert ein vielversprechendes Gerüst für antimikrobielle Mittel

19.11.2021 - Deutschland

Forscher des Karolinska Instituts, der Universität Umeå und der Universität Bonn haben eine Gruppe von Molekülen identifiziert, die eine antibakterielle Wirkung gegen viele antibiotika-resistente Bakterien haben. Da die Eigenschaften dieser kleinen Moleküle leicht chemisch verändert werden können, besteht die Hoffnung, neue, wirksame Antibiotika mit geringen Nebenwirkungen zu entwickeln.

Die zunehmende Antibiotikaresistenz ist weltweit alarmierend. Erschwerend kommt hinzu, dass in den letzten 50 Jahren nur wenige neue Typen von Antibiotika entwickelt worden sind. Es besteht daher ein großer Bedarf an neuen antibiotischen Wirkstoffen.

Die Vielzahl der Antibiotika, die in der klinischen Praxis eingesetzt werden, hemmen die Fähigkeit der Bakterien, eine schützende Zellwand zu bilden, wodurch sich die Zellen auflösen (Zelllyse). Neben dem wohlbekannten Penicillin, das bestimmte Enzyme beim Aufbau der Zellwand stört, wirken neuere Antibiotika wie Daptomycin oder das kürzlich entdeckte Teixobactin anders. Sie binden einen speziellen Baustein (Lipid II), der von Bakterien zum Aufbau der Zellwand benötigt wird. Lipid II-bindende Antibiotika sind in der Regel sehr große und komplexe Naturstoffe, die sich mit chemischen Methoden nicht leicht verbessern lassen. Zudem sind sie aufgrund ihrer Größe meist gegenüber Problemkeimen, die über eine weitere Hülle, die sogenannte Äußere Membran verfügen, nicht wirksam.

“Lipid II ist ein sehr attraktives Ziel für neue Antibiotika. Wir haben die ersten kleinen antibakteriellen Verbindungen identifiziert, die durch Bindung an dieses Lipidmolekül wirken, und in unserer Studie haben wir keine resistenten Bakterienmutanten gefunden, was sehr vielversprechend ist”, sagt Birgitta Henriques Normark, Professorin in der Abteilung für Mikrobiologie, Tumor- und Zellbiologie am Karolinska Institut.

In der Studie haben Forscher des Karolinska Instituts und der Universität Umeå in Schweden eine große Anzahl chemischer Verbindungen auf ihre Fähigkeit getestet, Pneumokokken zu lysieren. Diese Bakterien sind die häufigste Ursache für Lungenentzündungen. Die ersten Tests wurden in Zusammenarbeit mit dem Chemical Biology Consortium Sweden (CBCS) durchgeführt, einer nationalen Forschungsinfrastruktur im SciLifeLab. Die Forscher untersuchten die aktiven Verbindungen aus diesem Screening genauer. In Zusammenarbeit mit der Universität Bonn fanden sie heraus, dass eine Gruppe von Molekülen namens THCz die Bildung der Bakterien-Zellwand durch Bindung an Lipid II hemmt. Die Moleküle könnten auch die Bildung einer schützenden Kapsel verhindern, die die Pneumokokken umgibt und die sie benötigen, um dem Immunsystem zu entgehen und Krankheiten zu verursachen.

Chemisch leicht zu modifizierende Moleküle

“Der Vorteil von kleinen Molekülen wie diesen ist, dass sie chemisch leichter zu modifizieren sind. Wir hoffen, dass wir THCz so verändern können, dass die antibakterielle Wirkung zunimmt und die negativen Auswirkungen auf menschliche Zellen abnehmen”, sagt Fredrik Almqvist, Professor am Fachbereich Chemie der Universität Umeå.

In Laborexperimenten haben THCz eine antibakterielle Wirkung gegen viele antibiotikaresistente Bakterien, wie zum Beispiel Methicillin-resistente Staphylokokken (MRSA), Vancomycin-resistente Enterokokken (VRE) und Penicillin-resistente Pneumokokken (PNSP). Eine antibakterielle Wirkung wurde auch gegen Gonokokken, die Gonorrhoe verursachen, und Mykobakterien festgestellt, Bakterien, die beim Menschen schwere Krankheiten wie Tuberkulose verursachen können. Die Forschenden konnten keine Bakterien identifizieren, die in einer Laborumgebung eine Resistenz gegen THCz entwickelten.

“Wir werden nun auch versuchen, das THCz-Molekül so zu verändern, dass es die Äußere Membran einiger besonders hartnäckiger, multiresistenter Bakterien durchdringen kann”, sagt Tanja Schneider, Professorin am Institut für Pharmazeutische Mikrobiologie der Universität Bonn.

Originalveröffentlichung

Weitere News aus dem Ressort Wissenschaft

Meistgelesene News

Weitere News von unseren anderen Portalen

Zuletzt betrachtete Inhalte

Ausbreitung von Krankheitskeimen in deutschen Küstengebieten - Internationales Forschungsprojekt entwickelt Systeme für den sicheren und schnellen Nachweis von Vibrio-Erregern

Schnappschüsse vom molekularen Postversand in der Zelle - Berliner Forschungsverbund gelingen wichtige Einblicke in die Synthese- und Sortiermaschinerie für sekretorische und Membranproteine

Kleben auf Lücke - Klebende Muschelproteine haften weitgehend unabhängig davon, wie viele bindende Bestandteile sie enthalten - damit werden neuartige Klebstoffe möglich

Kleben auf Lücke - Klebende Muschelproteine haften weitgehend unabhängig davon, wie viele bindende Bestandteile sie enthalten - damit werden neuartige Klebstoffe möglich

Wissenschaftler spüren erstmals PCB-Schadstoffe auf dem höchsten Gipfel Amerikas auf

Verbundwerkstoff wird dank Edelmetall gefügig - Goldpartikelzusatz macht Polymerbürsten über pH-Wert schaltbar

Verbundwerkstoff wird dank Edelmetall gefügig - Goldpartikelzusatz macht Polymerbürsten über pH-Wert schaltbar

Aufschlussreiche Partikeltrennungen - Amplifizierung unnötig: Ultrasensitive DNA-Quantifizierung per Lichtstreuung

Aufschlussreiche Partikeltrennungen - Amplifizierung unnötig: Ultrasensitive DNA-Quantifizierung per Lichtstreuung

QIAGEN schließt die Akquisition von SABiosciences ab

Neuer Test für chronisch-entzündliche Lungenerkrankungen - Bessere Überwachung von Bronchitis und Lungenüberblähung

Deutsches Krebsforschungszentrum und Bayer HealthCare weihen gemeinsames Labor ein

Deutsches Krebsforschungszentrum und Bayer HealthCare weihen gemeinsames Labor ein

QIAGEN überträgt Rechte und Infrastrukturen für den Vertrieb von Transplantationstests an LinkMed - Transaktion ermöglicht QIAGEN verstärkte Fokussierung auf HLA-Testanwendungen im Bereich der personalisierten Medizin

Wie Bakterien Spritzen bauen: Wissenschaftler bauen Transportsystem von Bakterien im Reagenzglas

Wie Bakterien Spritzen bauen: Wissenschaftler bauen Transportsystem von Bakterien im Reagenzglas

Forscher der TU Dresden entwickeln Schutz gegen Legionellen aus dem Wasserhahn