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Bakteriengift macht Algen blind
Algen-tötenden Naturstoff in Bodenbakterien entdeckt: Chemische „Fingerabdrücke“ überführen die „Tatwaffe“
Forschende der Universität Jena entdeckten ein Bakteriengift, das die Farbpigmente im Augenfleck der einzelligen Grünalgen Chlamydomonas reinhardtii zerstört. Zusammen mit einer weiteren giftigen Substanz machen die Bakterien der Art Pseudomonas protegens die Grünalgen damit nicht nur orientierungs- und bewegungslos, sondern schicken sie in den sicheren Tod. Dem Gift mit Namen „Protegencin“ kam das Forschungsteam mit Hilfe der Raman-Spektroskopie und der Naturstoffforschung auf die Spur.
Dass den Grünalgen Chlamydomonas reinhardtii eine Begegnung mit den Bakterien Pseudomonas protegens nicht gut bekommt, wussten die Forschenden um Prof. Dr. Maria Mittag von der Universität Jena bereits aus früheren Studien. Jetzt konnten die Professorin für Allgemeine Botanik und Doktorandin Vivien Hotter gemeinsam mit den Teams um Prof. Dr. Jürgen Popp (Institut für Physikalische Chemie der Universität Jena und Leibniz-Institut für Photonische Technologien) und Prof. Dr. Christian Hertweck (Institut für Mikrobiologie der Universität Jena und Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut) sowie mit Prof. Dr. Severin Sasso (Universität Leipzig) das todbringende Gift identifizieren.
„Die Grünalgen besitzen ein primitives Auge, den sogenannten Augenfleck, mit dem sie Licht wahrnehmen und sich orientieren können“, erläutert Maria Mittag. Dieser ermöglicht es den rund zehn Mikrometer kleinen Einzellern, sich aktiv zum Licht zu bewegen, um optimale Bedingungen für die Fotosynthese zu haben. Der Augenfleck enthält zwei Schichten von gelblichen carotinoidreichen Fett-Tröpfchen. „Die Carotinoide lassen sich mit Hilfe der Raman-Spektroskopie gut untersuchen“, so Prof. Mittag weiter. Dieses Verfahren analysiert die Streuung von Laser-Licht an Molekülen und liefert ein charakteristisches Spektrum, vergleichbar einem spektroskopischen „Fingerabdruck“.
Chemische „Fingerabdrücke“ überführen die „Tatwaffe“
Mit diesem Instrument haben sich die Forscherinnen gemeinsam mit dem Team um Prof. Popp an ihre Detektiv-Arbeit gemacht und die charakteristischen „Raman-Fingerabdrücke“ aus Algenkulturen analysiert, denen Pseudomonas-Bakterien zugesetzt worden waren. „Den Effekt kann man bereits mit bloßem Auge sehen“, berichtet Vivien Hotter. Die grüne Algenkultur verliert über Nacht fast vollständig ihre Farbe. „Parallel dazu verringert sich das Raman-Signal für die Augenfleck-Carotinoide.“ Daraus lasse sich schließen, dass die Algen ihre Fähigkeit, sich im Licht zu orientieren, verlieren, sagt Vivien Hotter. Doch nicht nur das. „Wir konnten auch zeigen, dass das Gift ihre Zellmembran auflöst. Das überleben die Algen nicht.“
Auf die Spur der „Tatwaffe“, mit der es den Bakterien gelingt, die Algen zur Strecke zu bringen, kamen die Forscherinnen in Kooperation mit ihren Kolleginnen und Kollegen im Sonderforschungsbereich (SFB) „ChemBioSys“. Wie die Analyse der Raman-Spektren ergab, verringert sich im Laufe der Bakterienattacke nicht nur das Signal für die Augenfleck-Pigmente: Es taucht zusätzlich ein neues Signal im Spektrum auf, das zuvor nicht vorhanden war. Dessen „Fingerabdruck“ nutzten die Naturstoff-Forscher um Prof. Hertweck, um die chemische Grundstruktur des Bakteriengiftes zu entschlüsseln und konnten schließlich zusammen mit den anderen Forschenden die Substanz „Protegencin“ als Todesursache ermitteln.
Mit ihrer Grundlagenforschung suchen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im SFB „ChemBioSys“ nach Naturstoffen, welche die Interaktion zwischen Biosystemen wie Mikroalgen und Bakterien beeinflussen. Sie möchten hierbei die zugrundeliegenden Kontrollmechanismen aufklären. Obwohl Mikroalgen ganz wesentlich zur weltweiten Sauerstoffproduktion beitragen und zusammen mit den Cyanobakterien rund 50 Prozent das Treibhausgas Kohlendioxid fixieren, sind die fundamentalen Kontrollmechanismen in den komplexen Biosystemen von Algen und Bakterien noch nicht hinreichend gut verstanden.
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