Mit Hilfe einer Biotinte aus Alginat und menschlichen Zellen haben Forschende der Technischen Universität (TU) Berlin und weiterer Einrichtungen ein dreidimensionales Modell einer Krebsmetastase in gesundem Gewebe ausgedruckt. Sie verwendeten dafür einen handelsüblichen Biodrucker, so dass ... mehr
Von der Natur gelernt: Biosensoren aus Zellulose
Wiederverwertbar, hautverträglich und biologisch abbaubar
Elektroenzephalografie (EEG), Elektrokardiografie (EKG), Elektromyografie (EMG) – all diese nichtinvasiven medizinischen Diagnosemethoden beruhen darauf, dass eine Elektrode elektrische Signale oder Spannungsschwankungen der Muskel- oder Nervenzellen unter der Haut misst und diese aufzeichnet. Je nach Art der verwendeten Diagnostik können so elektrische Hirnströme, Herzströme oder auch Muskelströme gemessen werden. Dafür werden aktuell metallische Sensoren verwendet, die mittels eines speziellen Gels an der Haut befestigt werden, um so einen kontinuierlichen Kontakt zu gewährleisten. Wissenschaftler der University of Korea und der TU Berlin haben jetzt sogenannte Biosensoren entwickelt, die aus dem pflanzlichen Material Zellulose bestehen. Sie leiten nicht nur besser und dauerhafter als die herkömmlichen Elektroden. Sie sind 100 Prozent natürlich, wiederverwendbar, verursachen keine Hautreizungen wie andere Gele und sind biologisch abbaubar. Das Paper Leaf inspired homeostatic cellulose biosensors wurde jetzt im Fachjournal Science Advances publiziert.
Das entscheidende Stichwort zu den neuen Sensoren lautet: Homöostase. Damit wird in der Biologie die Aufrechterhaltung eines Gleichgewichtszustandes bezeichnet. So regulieren Blätter zum Beispiel den osmotischen Druck in ihren Zellen, also wie viel Wasser diese speichern. Dieser innere Zelldruck ist abhängig von dem Wassergehalt der Nachbarzellen, aber auch der Umgebung (Trockenheit oder hohe Luftfeuchtigkeit) und wird ständig nachjustiert.
„Die meisten Menschen kennen das Gefühl, wenn wir mit nackten Füßen durch einen feuchten Garten gehen. Unter den Fußsohlen bleiben Blätter haften, die einfach nicht abfallen, auch wenn wir uns bewegen“, erläutert Prof. Dr. Klaus-Robert Müller, Leiter des Fachgebiets Maschinelles Lernen an der TU Berlin und Direktor des Berlin Institute for the Foundations of Learning and Data (BIFOLD). „Der Grund, dass Blätter sich optimal an unsere Haut anschmiegen, liegt in den Quelleigenschaften der Zellulose, dem Material aus dem die Pflanzenzellwände bestehen, und beruht auf dem Prinzip der Homöostase.“
Sensoren werden der Blattstruktur nachempfunden
Bislang trat Zellulose vor allem als Material für die Synthese oder Filtration in Erscheinung. Da Zellulose selbst nicht leitet, schien sie ungeeignet als potenzielles Elektrodenmaterial. Werden Zellulosefasern allerdings in salzhaltiges Wasser gelegt, quellen sie auf und zeigen sehr gute elektrische Leitungseigenschaften.
Inspiriert von der Struktur von Blättern, haben die Wissenschaftler Biosensoren entwickelt, analysiert und getestet, die aus zwei Schichten, der Blattstruktur nachempfundenen Zellulosefasern bestehen, die mit Salzwasser getränkt werden können. Über dem Zellulosematerial liegt eine Trägermembran, die wiederum an eine metallische Elektrode mit Kabel andockt.
Wiederverwertbar, hautverträglich und biologisch abbaubar
„Diese Sensoren zeigten kontinuierlich hochwertige elektrophysiologische Signale in verschiedenen Anwendungen, zum Beispiel im EEG, EMG und EKG. Sie haften hervorragend – ohne das ein synthetisches Gel gebraucht wird – an verschiedenen Hauttypen. Diese guten Haftungseigenschaften zeigen sie auch unter Stress, wie zum Beispiel bei schwitzenden oder sich bewegenden Proband*innen“, erläutert Klaus-Robert Müller. Daneben verfügen diese Sensoren über eine hohe Übertragungsqualität, einen niedrigen elektrischen Widerstand (Impedanz) und eine geringe Varianz des Widerstandes während Langzeit-Messungen.
Die Wissenschaftler haben diese Sensoren bereits in verschiedenen Anwendungsszenarien und auf verschiedenen Hauttypen getestet. „Die Vielseitigkeit und Robustheit der Biosensoren konnten wir auch in Kombination mit Algorithmen des maschinellen Lernens zeigen, die in anspruchsvollen realen Situationen getestet wurden. Tests wurden beim Fahrradfahren oder auch beim Computerspiel mit einer Gehirn-Computer-Schnittstelle durchgeführt, bei denen sich die Probanden während der Messung bewegen und somit Artefakte erzeugen können“, so Klaus-Robert Müller.
Weitere Vorteile der Biosensoren: Sie erlauben eine Massenproduktion in einem einfachen und kostengünstigen Prozess, sind wiederverwertbar, hautverträglich und biologisch abbaubar. Klaus-Robert Müller ist überzeugt: „Diese homöostatischen Zellulose-Biosensoren eignen sich für breite klinische und nicht-klinische Anwendungen.“
- Biosensoren
- Cellulose
- Homöostase
- Cellulosefasern
- Elektroenzephalografie
- Elektromyografie
- Elektrokardiografie
-
News
KI-basiertes Analyse-System für die Brustkrebsdiagnose entwickelt
Wissenschaftler der TU Berlin und der Charité – Universitätsmedizin Berlin sowie der Universität Oslo haben ein neues Analyse-System für die Brustkrebsdiagnostik anhand von Gewebeschnitten entwickelt, das auf Künstlicher Intelligenz (KI) beruht. Zwei Weiterentwicklungen machen das System ei ... mehr
Stoffwechsel: Forscher klären erstmals Struktur von riesigem Enzymkomplex auf
Das zeigen Wissenschaftler der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) und der Technischen Universität Berlin in einer neuen Studie in der Fachzeitschrift "Cell Reports". Sie haben einen Multienzymkomplex untersucht, der für den Stoffwechsel eine essenzielle Rolle spielt und dabei ... mehr
- 1Neuer Test kann COVID-19-Immunität vorhersagen
- 2Alzheimer-Früherkennung bis zu 17 Jahre im Voraus
- 3Schleim könnte erklären, warum sich SARS-CoV-2 nicht leicht über Oberflächen verbreitet
- 4KI ist bei der Analyse von Lungenkrankheiten genauso leistungsfähig wie medizinische Fachkräfte
- 5Biosensor "Smart Necklace" kann Gesundheitszustand durch Schweiß messen
- 6Rauchmelder „erschnüffelt“ Brandquellen
- 7Attosekunden-Messung an Elektronen in Wasser-Clustern
- 8Erster elektrischer Nanomotor aus DNA-Material
- 9Potentialflächen von Wasser erstmals kartiert
- 10Deep Learning trotz spärlicher Datenlage
- Automatisierte Messtechnik für die Mikroplastikerfassung in Wasser
- Das geheimnisvolle Gen, das Mäusen hilft, Virusinfektionen zu überleben
- Schutz vor Corona: Erfahrung ist beim Immunsystem nicht immer ein Vorteil
- Pimp my Spec: Upgrade der Magnetresonanzmethode mit 1.000-fachem Verstärker
- Intelligente Kontaktlinsen für die Krebsdiagnostik und -vorsorge
- Automatisierte Messtechnik für die Mikroplastikerfassung in Wasser
- Schutz vor Corona: Erfahrung ist beim Immunsystem nicht immer ein Vorteil
- Lastenaufzug hilft Bakterien eine Tarnkappe zu bauen
- Heranzoomen, um das ganze Bild zu sehen
- Erstmals atomare Strukturdefekte in organischen 2D-Materialien aufgezeigt