Lässt sich der Verlauf von COVID-19 anhand des Blutes vorhersagen?

Studie entdeckt Unterschiede im Blut schwer und leicht Erkrankter

09.06.2020 - Deutschland

Ein Forschungsteam der Charité – Universitätsmedizin Berlin und des Francis Crick Institute hat im Blut von COVID-19-Patienten 27 Proteine identifiziert, die je nach Schwere der Erkrankung in unterschiedlicher Menge auftreten. Diese Biomarker-Profile könnten in Zukunft zur Vorhersage des Krankheitsverlaufs genutzt werden und so behandelnden Ärzten die Entscheidung über die Art der Therapie erleichtern.

Arne Sattler/Charité

Mithilfe von Massenspektrometrie haben Forscher Biomarker-Profile identifiziert, die den Schweregrad einer COVID-19-Erkrankung beschreiben und zukünftig für die Vorhersage des Krankheitsverlaufs genutzt werden könnten.

Menschen reagieren sehr unterschiedlich auf eine Infektion mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2. Während bei einigen Patienten keine Symptome auftreten, verläuft die Erkrankung in anderen Fällen schwerwiegender und zum Teil tödlich. Es besteht deshalb ein dringender Bedarf nach biologischen Merkmalen – den sogenannten Biomarkern –, die eine zuverlässige Vorhersage des Erkrankungsverlaufs und eine genaue Bestimmung des Schweregrads erlauben. Für die Suche nach geeigneten Biomarkern nutzte eine Forschungsgruppe unter Leitung von Prof. Dr. Markus Ralser, Direktor des Instituts für Biochemie der Charité und Einstein-Professor, nun modernste Analysemethoden, um die Menge verschiedener Proteine im Blutplasma in großer Geschwindigkeit zu bestimmen. Mit diesem Ansatz gelang es den Wissenschaftlern, eine größere Zahl von Protein-Biomarkern im Blutplasma von COVID-19-Patienten zu erkennen, die mit der Schwere der Erkrankung zusammenhingen.

Für ihre Analyse entwickelten die Forscher eine Massenspektrometrie-Plattform zur Hochdurchsatz-Analyse, mit der das Proteom – also die Gesamtheit aller vorhandenen Proteine – von 180 Proben pro Tag sehr präzise gemessen werden kann. Mit dieser Technologie untersuchte das Team das Blutplasma von 31 Frauen und Männern mit unterschiedlich stark ausgeprägten COVID-19-Symptomen, die an der Charité behandelt wurden. So konnten die Forscher 27 Proteine identifizieren, deren Konzentration im Blut abhängig von der Schwere des Krankheitsverlaufs erhöht oder verringert war. Diese molekularen Signaturen validierten sie dann bei einer Gruppe von 17 COVID-19-Patienten und 15 gesunden Probanden. Dabei zeigte sich, dass die Protein-Signaturen den Schweregrad der Erkrankung – gemäß den Kriterien der Weltgesundheitsorganisation – bei den Patienten korrekt beschrieben.

„Diese Ergebnisse legen die Basis für zweierlei Anwendungsmöglichkeiten: Zum einen könnte unsere Methode in Zukunft zur Vorhersage der Krankheitsprognose genutzt werden“, erklärt Prof. Ralser, der auch Gruppenleiter am Francis Crick Institute in London ist. „Sie soll also behandelnden Medizinern ermöglichen, anhand einer frühen Blutuntersuchung abschätzen zu können, ob ein COVID-19-Patient schwere Symptome entwickeln wird oder nicht. Und das kann potenziell Leben retten: Je früher Ärztinnen und Ärzte wissen, welche Patienten intensive medizinische Behandlung benötigen, desto schneller können sie die verfügbaren Therapiemöglichkeiten ausschöpfen.“ Um diesem Ziel näher zu kommen, werden die Wissenschaftler nun untersuchen, wie sich die Signaturen der Biomarker über den zeitlichen Verlauf der Krankheit verändern.

„Zum anderen liegt die Nutzung unserer Technologie als diagnostischer Test nahe, der im Krankenhaus Klarheit über den Zustand des Patienten gibt – unabhängig davon, wie der Kranke selbst seine Verfassung beschreibt“, ergänzt der Biochemiker. „Unter Umständen scheinen die Symptome des Patienten nämlich besser, als sein Gesundheitszustand eigentlich ist – da kann eine objektive Einschätzung per Biomarker-Profil sehr wertvoll sein“. Das Forschungsteam wird das Verfahren nun an einer größeren Anzahl von Patienten prüfen, um weiter auf einen solchen diagnostischen Test hinzuarbeiten.

Die Veränderungen im Protein-Profil

Unter den 27 Proteinen, die den Schweregrad einer COVID-19-Erkrankung anzeigen, fanden sich einige, die bisher nicht mit einer Immunantwort in Verbindung gebracht worden waren. Zu den identifizierten Biomarkern gehörten aber beispielsweise auch Gerinnungsfaktoren und Entzündungsregulatoren. Einige dieser Proteine wirken auf molekularer Ebene auf das entzündungsfördernde Interleukin 6 ein, das ersten Studien zufolge mit schweren COVID-19-Symptomen zusammenhängt. Eine Reihe der jetzt identifizierten Biomarker könnten daher geeignete Angriffspunkte für neue Therapien darstellen.

Originalveröffentlichung

Weitere News aus dem Ressort Wissenschaft

Meistgelesene News

Weitere News von unseren anderen Portalen

Verwandte Inhalte finden Sie in den Themenwelten

Themenwelt Massenspektrometrie

Die Massenspektrometrie ermöglicht es uns, Moleküle aufzuspüren, zu identifizieren und ihre Struktur zu enthüllen. Ob in der Chemie, Biochemie oder Forensik – Massenspektrometrie eröffnet uns ungeahnte Einblicke in die Zusammensetzung unserer Welt. Tauchen Sie ein in die faszinierende Welt der Massenspektrometrie!

15+ Produkte
3 White Paper
10+ Broschüren
Themenwelt anzeigen
Themenwelt Massenspektrometrie

Themenwelt Massenspektrometrie

Die Massenspektrometrie ermöglicht es uns, Moleküle aufzuspüren, zu identifizieren und ihre Struktur zu enthüllen. Ob in der Chemie, Biochemie oder Forensik – Massenspektrometrie eröffnet uns ungeahnte Einblicke in die Zusammensetzung unserer Welt. Tauchen Sie ein in die faszinierende Welt der Massenspektrometrie!

15+ Produkte
3 White Paper
10+ Broschüren

Zuletzt betrachtete Inhalte

Organische Dünnschichtsensoren für die Analyse von Lichtquellen und den Einsatz in der Fälschungssicherheit - Als integrierte Bauteile könnten die Dünnschichtsensoren in Zukunft den Einsatz von externen Spektrometern überflüssig machen

Organische Dünnschichtsensoren für die Analyse von Lichtquellen und den Einsatz in der Fälschungssicherheit - Als integrierte Bauteile könnten die Dünnschichtsensoren in Zukunft den Einsatz von externen Spektrometern überflüssig machen

Gründe der Rauheit - Ursprünge der Beschaffenheit von Oberflächen untersucht

Gründe der Rauheit - Ursprünge der Beschaffenheit von Oberflächen untersucht

LUMiSizer | Nanopartikelanalysatoren | LUM

LUMiSizer | Nanopartikelanalysatoren | LUM

Mit KI genetische Störungen in Zellbildern erkennen - Neugegründetes Start-up will Erkenntnisse für Therapie von bisher nicht heilbaren Fibrosen nutzen

Mit KI genetische Störungen in Zellbildern erkennen - Neugegründetes Start-up will Erkenntnisse für Therapie von bisher nicht heilbaren Fibrosen nutzen

BASF erforscht im Auf­trag der Europäischen Chemikalien­agentur Alter­nativ­methoden für Tier­versuche - Anzahl der Tierversuche für Sicherheitsbewertungen chemischer Stoffe soll weiter reduziert werden

BASF erforscht im Auf­trag der Europäischen Chemikalien­agentur Alter­nativ­methoden für Tier­versuche - Anzahl der Tierversuche für Sicherheitsbewertungen chemischer Stoffe soll weiter reduziert werden

Sartorius schließt Übernahme der Chromatographie-Sparte von Novasep ab - Umsatzprognose für 2022 aufgrund der Akquisition aktualisiert

Fortschritte bei den bildgebenden Verfahren - Innovationen für die Gesellschaft

Weniger ist mehr - Neue Erkenntnisse zum Bearbeiten von Bakterien mit CRISPR - Forschungsteam entwickelt Ansatz, der eine effizientere Bearbeitung von Bakteriengenomen ermöglicht

Weniger ist mehr - Neue Erkenntnisse zum Bearbeiten von Bakterien mit CRISPR - Forschungsteam entwickelt Ansatz, der eine effizientere Bearbeitung von Bakteriengenomen ermöglicht

IonTamer ToF MS | Restgasanalysatoren | Spacetek Technology

IonTamer ToF MS | Restgasanalysatoren | Spacetek Technology

Wenn Mineralwasser schlecht schmeckt

Edelgas-Sensoren für Immunsystem im Medizintechnik-Innovationwettbewerb prämiert

SpinDiag erhält 1,6 Mio. EUR Seedfinanzierung - Point-of-care Screening-System für Antibiotika-Resistenzen soll klinisch getestet werden