Röntgenlicht zeigt Geburt von Halbleiter für blaue LEDs

Galliumnitrid ist das zweitwichtigste Halbleitermaterial nach Silizium

28.02.2020 - Deutschland

Mit Hilfe eines Spezialofens hat ein internationales Forscherteam die ersten Schritte des Wachstums des Halbleiters Galliumnitrid im Röntgenlicht analysiert. Die Beobachtungen zeigen erstmals die atomare Struktur der Grenzfläche des Halbleitermaterials mit flüssigem Gallium unter milden Wachstumsbedingungen, wie das Team um Elias Vlieg von der Radboud-Universität Nijmegen in den Niederlanden im Fachblatt „Physical Review Letters“ berichtet. Die Untersuchung ist ein erster Schritt auf dem Weg, das Wachstum dieses vielversprechenden Elektronikmaterials besser zu verstehen und damit besser steuern zu können.

DESY, Vedran Vonk

Die Atome des flüssigen Galliums (Mitte oben) sind mit sinkendem Abstand immer dichter an den Atomen des Galliumnitrid-Kristallgitters lokalisiert, wie die Röntgenuntersuchung zeigt. In der obersten Kristallschicht offenbarten die Röntgenstreubilder überraschend viele Fehlstellen.

„Galliumnitrid ist eine Mischung aus dem Metall Gallium und Stickstoff und heute der zweitwichtigste Halbleiter nach Silizium“, erläutert Hauptautor Aryan de Jong, der zu diesem Thema seine Doktorarbeit an der Radboud-Universität angefertigt hat und heute in der Halbleiterindustrie an Galliumnitrid-Anwendungen arbeitet. „Das liegt vor allem an blauen Leuchtdioden, die sich auf Siliziumbasis nicht herstellen lassen, aber mit Galliumnitrid.“ Darüber hinaus ist Galliumnitrid jedoch auch für andere Bauelemente interessant, da es durch die größere sogenannte Bandlücke stabilere Bauelemente ermöglicht, was in harschen Umgebungsbedingungen wie beispielsweise auf Satelliten von Vorteil ist.

Allerdings ist die Herstellung geeigneter Trägerstrukturen, der sogenannten Wafer, aus Galliumnitrid relativ aufwendig. „Für blaue Leuchtdioden wird das Material in der Regel aus Dampf kondensiert. Das geht einigermaßen einfach, allerdings ist die Zahl für Defekte relativ hoch, was für Leuchtdioden nicht so kritisch ist, wohl aber für Bauelemente wie Mikrochips“, sagt Vedran Vonk aus dem DESY NanoLab, Korrespondenzautor der Veröffentlichung. „Gesucht ist daher ein industrietauglicher Prozess, bei dem Galliumnitrid mit deutlich weniger Defekten aus einer Flüssigkeit wächst.“

Bislang sind dafür ein Druck von einigen tausend Atmosphären und hohe Temperaturen weit über tausend Grad Celsius nötig, was die Galliumnitrid-Wafer teuer macht und auf Spezial-Anwendungen reduziert. Allen Flüssig-Produktionsprozessen gemein ist jedoch die Grenzfläche zwischen flüssigem Gallium und dem Galliumnitrid-Kristall, die sich auch unter milderen Bedingungen bereits untersuchen lässt.

Mit einem für diesen Zweck eigens gebauten Druckofen haben die Forscher sich die  Wachstumsgrenzfläche nun per Röntgenlicht atomgenau angeschaut. Dazu platzierten sie eine dünne Scheibe Galliumnitrid in dem Ofen und stellten einen nach unten offenen und an den Seiten abgedichteten Behälter mit flüssigem Gallium darauf. Das Metall schmilzt bereits bei knapp 30 Grad Celsius. Den Ofen füllten die Wissenschaftler mit Stickstoff bis zum 30-fachen Atmosphärendruck und heizten ihn auf 850 Grad Celsius auf. „Das entspricht noch nicht den Produktionsbedingungen für große Galliumnitridkristalle, gibt jedoch bereits Einblick in einige grundlegende Prozesse beim Wachstum des Kristalls“, erläutert Vlieg.

Mit einem Mikrometer-feinen Röntgenstrahl der Europäischen Synchrotron-Strahlungsquelle ESRF untersuchte das Team die Oberfläche der Galliumnitrid-Scheibe in dem heißen Druckofen. „Dabei zeigte sich zum einen, dass die oberste Kristallschicht viel mehr Fehlstellen aufweist als erwartet – etwa jedes vierte Galliumatom fehlt dort im Kristallgitter“, berichtet Vonk. „Zum anderen ließ sich beobachten, dass sich in dem flüssigen Gallium oberhalb des Halbleiterkristalls Schichten ausbilden, in denen die Galliumatome der Flüssigkeit immer enger an den Positionen der regulären Galliumatomen des Kristalls lokalisiert sind, je mehr sie sich der Grenzschicht nähern. Diese Ordnung und ein solches sogenanntes Layering ist so bei erhöhter Temperatur noch nie zuvor beobachtet worden.“

Die beiden unerwarteten Beobachtungen verbessern das Verständnis vom Wachstum des begehrten Halbleitermaterials und könnten dazu beitragen, einen Weg zu einem einfacheren und besser steuerbaren Produktionsprozess zu entdecken. Zudem tragen sie zu einem besseren grundsätzlichen Verständnis der Vorgänge an Grenzschichten zwischen flüssigen und festen Phasen eines Metalls bei.

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