Wie schwingen Atome in Graphen-Nanostrukturen?

Innovative neue Technik verschiebt die Grenzen der Nanospektrometrie für Materialdesign

14.08.2019 - Österreich

Um das Verhalten von modernen Materialien wie Graphen zu verstehen und für Bauelemente der Nano-, Opto- und Quantentechnologie zu optimieren, ist es entscheidend zu wissen wie Schwingungen zwischen den Atomen – sogenannte Phononen – die Materialeigenschaften beeinflussen. Forscher der Universität Wien, vom AIST und der Firma JEOL in Japan sowie der Universität La Sapienza in Rom haben nun eine neues Messverfahren entwickelt, das alle Phononen eines nanostrukturierten Materials bestimmen kann. Dies ist ein Durchbruch in der Analyse von Funktionsmaterialien und nanostrukturierten Bauelementen. Mit ihrem Pilotversuch konnten die Forscher am Beispiel von Graphen-Nanostrukturen die Einzigartigkeit ihres Ansatzes zeigen, welcher in der jüngsten Ausgabe vom Fachjournal Nature publiziert wird.

© Ryosuke Senga, AIST

Schematische Darstellung von lokalen Gitterschwingungen in Graphen, die durch eine Wellenfront von übertragenen schnellen Elektronen angeregt werden.

Wichtige thermische, mechanische, optoelektronische und Transport-Eigenschaften von Materialien werden von Phononen bestimmt, sich ausbreitenden Schwingungen zwischen den Atomen des Materials. Eine lokale Messung dieser Phononen ist von großer Bedeutung, wenn man nanoelektronische Bauelemente optimieren will. In der Nano- und Quantentechnologie spielen insbesonders zweidimensionale Materialien wie Graphen und deren Variationen in einem Graphen-Nanoband eine große Rolle. Bisher war es jedoch mit keiner herkömmlichen Methode möglich, alle Phononen einer einzelnen, freitragenden Schicht eines zweidimensionalen Materials zu bestimmen.

Neue Grenzen der Nanospektroskopie

Nun hat ein internationales Forschungsteam aus weltweit führenden ExpertInnen um Thomas Pichler an der Universität Wien und Kollaboratoren von der La Sapienza Universität in Rom, AIST Tsukuba und der Firma JEOL in Japan eine neue Methode entwickelt, die diese Hürde überwindet, und in einem Präzedenzfall auf Graphen-Nanostrukturen angewandt. Dazu verwendeten die Wissenschafter ein Elektronenmikroskop mit so großer Auflösung, dass es selbst eine einzelne Schicht von Atomen abbilden kann. Hochauflösende Elektronenspektroskopie in diesem Mikroskop ermöglichte es erstmals erfolgreich alle Schwingungen einer freitragenden Graphen-Schicht sowie die lokale räumliche Ausdehnung verschiedener Schwingungen in einem Graphen-Nanoband wie einen Fingerabdruck zu messen. Das innovative Verfahren, das sogenannte "large-q-mapping", eröffnet nicht nur komplett neue Möglichkeiten die atomaren Schwingungen von allen nanostrukturierten und zweidimensionalen Materialien bis hinunter zu einzelnen Atomschichten zu ermitteln. Es verschiebt auch die gegenwärtigen Grenzen der Nanospektroskopie zu einer berühmten Einschränkung der Quantenphysik, der Heisenbergschen Unschärferelation. Diese erlaubt es nur bis zu einer gewissen Genauigkeit, die die neue Elektronenspektroskopie-Technik beinahe erreicht, bestimmte Paare von Eigenschaften wie z.B. Ort und Impuls eines Teilchens gleichzeitig zu bestimmen.

Neues Elektronen-Nanospektrometer als 'Tisch-Synchrotron'

Der erfolgreiche direkte experimentelle Nachweis des vollständigen Fingerabdrucks lokaler atomarer Schwingungen aller Materialien sogar von einzelnen Schichten zweidimensionaler Materialien und Nanobändern und selbst in nicht-perfekten Strukturen wie Ecken, Kanten oder Defekten ist für das Verständnis und für die Optimierung der lokalen Eigenschaften eines Materials äußerst wichtig. In der Kombination von Mikroskopie und Spektroskopie war bis dato die simultane orts- und impulsabhängige Auflösung aufgrund der Heisenbergschen Unschärferelation eine der größten Herausforderungen. Die im Fachjournal Nature beschriebene neue Messtechnik stellt nun einen entscheidenden Schritt hin zur Nanospektroskopie aller Materialien durch Kombination von orts- und impulsabhängiger Messungen dar. "Wir sind überzeugt, dass unsere neue Methode die weitreichende Forschung in der Materialwissenschaft vorantreiben und die hochauflösende Elektronenspektroskopie in der Elektronenmikroskopie auf die nächste Stufe vorwärtsbringen wird. Man kann sich das neuartige Verfahren auch als echtes 'Tisch-Synchrotron' vorstellen", fasst Thomas Pichler von der Universität Wien, einer der Hauptautoren, zusammen.

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