Was Farben über Leben und Tod verraten

Physikochemiker der Universität Jena entwickeln neues Verfahren zur Identifikation von Bakterien

15.01.2009 - Deutschland

Es wimmelt nur so vor winzigen Partikeln. Einige bewegen sich, andere nicht. Einige sind punktförmig, andere sehen wie kleine Stäbchen aus. Laien sehen beim Blick durch ein Mikroskop häufig nur ein undefinierbares Wirrwarr. Für Mediziner oder Nahrungsmittelkontrolleure ist dagegen von höchster Bedeutung, die Partikel exakt zu bestimmen. "Oft spielt der Faktor Zeit dabei eine entscheidende Rolle", weiß Prof. Dr. Jürgen Popp von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Seine Arbeitsgruppe hat jetzt ein Verfahren entwickelt, mit dem Mikroorganismen schnell und zuverlässig identifiziert werden können.

"In vielen Proben kommen neben biotischen Partikeln auch nicht-biotische wie Staub oder andere Verunreinigungen vor", erklärt Popp. "Die können mit unserer Methode problemlos voneinander unterschieden werden." Durch Fluoreszenzanregung sei dies zwar schon möglich gewesen, jedoch habe sich das Verfahren in der Praxis mit Realproben eher als problematisch dargestellt.

Die Jenaer Arbeitsgruppe vom Institut für Physikalische Chemie verwendet die sogenannte Raman-Spektroskopie, bei der die Probe über einen Laser mit monochromatischem Licht bestrahlt wird. Anschließend können anhand des austretenden Frequenzspektrums, dem "Fingerabdruck" der Zellen, Aussagen über die Zusammensetzung der Probe gemacht werden. Die Wissenschaftler um Prof. Popp verwenden zusätzlich ein Mikroskop. "Diese Kombination macht eine räumliche Auflösung bis in den Einzel-Zell-Bereich möglich." Potenzielle Krankheitserreger können so bereits vor einer explosionsartigen Vermehrung einzeln identifiziert und frühzeitig bekämpft werden.

Dabei sind für Mediziner vornehmlich die lebenden Zellen von Bedeutung. "Eine tote Zelle stellt in der Regel keine unmittelbare Gefahr für den Organismus mehr dar", erläutert Prof. Popp das untergeordnete Interesse daran. "Wir haben eine Methode entwickelt, mit der die toten Zellen direkt als solche identifiziert werden können", sagt der Jenaer Chemiker. "Das spart wertvolle Analysezeit, denn diese Zellen müssen zunächst nicht weiter untersucht werden."

Die Wissenschaftler nutzen den grün fluoreszierenden Farbstoff SYTO 9 und das rot fluoreszierende Propidium-Iodid (PI), die beide in einem sogenannten Färbe-Kit vorhanden sind. Mit ihm werden die Proben behandelt. Das positiv geladene PI kann nur in tote Zellen eindringen, da es die Zellmembranen lebender Zellen wegen ihres positiven Zellpotenzials nicht passieren kann. Das neutrale SYTO 9, das in beide Zelltypen eindringen kann, wird durch das PI in den toten Zellen unterdrückt. Das hat zur Folge, dass die toten Zellen rot fluoreszieren, während die lebenden Bakterien grün leuchten. Da beide Farben nur in Verbindung mit DNA wirken, leuchten abiotische Partikel nicht. "Durch die schnelle Differenzierung können lebende Zellen zeitnah einer gezielten Analyse zugeführt werden", nennt Prof. Popp den Vorteil der neuen Methode.

Neben der Reduzierung der Messzeiten, die besonders in der Nahrungsmittelanalyse oder bei Blutuntersuchungen von Bedeutung ist, nutzen die Jenaer Wissenschaftler ihre Entwicklung zur Identifikation unbekannter Bakterienstämme. Dafür haben sie die Raman-Spektren verschiedener Arten untersucht und eine Datensammlung angelegt, die unter anderem wichtige Hinweise auf Alter, Nährmedium und Wachstumstemperatur enthält. "Wir hoffen, damit eine Basis für weitere Analysen zu schaffen", erläutert der Professor für Physikalische Chemie der Universität Jena, der das Projekt in Kooperation mit einem Unternehmen bereits für die praktische Anwendung weiterentwickelt hat. "Das ist ein wichtiger Schritt in Richtung eines automatisierten Prozesses zur Identifizierung von Mikroorganismen."

Originalveröffentlichung: Krause, M., Rösch, P., Radt, B., Popp, J.; "Localizing and Identifying Living Bacteria in an Abiotic Environment by a Combination of Raman and Fluorescence Microscopy"; Analytical Chemistry 2008, Vol. 80, Nr. 22

Weitere News aus dem Ressort Wissenschaft

Meistgelesene News

Weitere News von unseren anderen Portalen

Verwandte Inhalte finden Sie in den Themenwelten

Themenwelt Spektroskopie

Durch die Untersuchung mit Spektroskopie ermöglicht uns einzigartige Einblicke in die Zusammensetzung und Struktur von Materialien. Von der UV-Vis-Spektroskopie über die Infrarot- und Raman-Spektroskopie bis hin zur Fluoreszenz- und Atomabsorptionsspektroskopie - die Spektroskopie bietet uns ein breites Spektrum an analytischen Techniken, um Substanzen präzise zu charakterisieren. Tauchen Sie ein in die faszinierende Welt der Spektroskopie!

20+ Produkte
5+ White Paper
15+ Broschüren
Themenwelt anzeigen
Themenwelt Spektroskopie

Themenwelt Spektroskopie

Durch die Untersuchung mit Spektroskopie ermöglicht uns einzigartige Einblicke in die Zusammensetzung und Struktur von Materialien. Von der UV-Vis-Spektroskopie über die Infrarot- und Raman-Spektroskopie bis hin zur Fluoreszenz- und Atomabsorptionsspektroskopie - die Spektroskopie bietet uns ein breites Spektrum an analytischen Techniken, um Substanzen präzise zu charakterisieren. Tauchen Sie ein in die faszinierende Welt der Spektroskopie!

20+ Produkte
5+ White Paper
15+ Broschüren

Zuletzt betrachtete Inhalte

Neun auf einen Streich: Empa Spin-off entwickelt neues Analysegerät

Neun auf einen Streich: Empa Spin-off entwickelt neues Analysegerät

Sanfter Einblick in die Nano-Welt - „SALVE“ startet mit neuem Partner in die finale Phase

Sanfter Einblick in die Nano-Welt - „SALVE“ startet mit neuem Partner in die finale Phase

Kosten sparen mit optimalen Experimenten - RUB kooperiert mit zwei US-Universitäten

Untersuchung der molekularen Orientierung mittels polarisationsselektiver transienter Absorptionsspektroskopie

Untersuchung der molekularen Orientierung mittels polarisationsselektiver transienter Absorptionsspektroskopie

Neue Möglichkeiten für die Rastertunnelmikroskopie - Ein Blick unter die Oberfläche: Forschungsteam macht verborgene strukturelle und magnetische Eigenschaften sichtbar

Neue Möglichkeiten für die Rastertunnelmikroskopie - Ein Blick unter die Oberfläche: Forschungsteam macht verborgene strukturelle und magnetische Eigenschaften sichtbar

Wie sich Immunzellen im Körper verfolgen lassen - Neues Verfahren zum Markieren von T-Zellen bei Immuntherapien

Wie sich Immunzellen im Körper verfolgen lassen - Neues Verfahren zum Markieren von T-Zellen bei Immuntherapien

Biomoleküle einfach markiert – für die Kontrolle von Immunzell-Membranen - Neues Labeling für Peptide entwickelt

Biomoleküle einfach markiert – für die Kontrolle von Immunzell-Membranen - Neues Labeling für Peptide entwickelt

Ein Scanner für Erbschäden

Ein Scanner für Erbschäden

Wasserstoffperoxid als Ziel im Kampf gegen Krebs? - Bauchspeicheldrüsenkrebszellen haben einen erhöhten Spiegel an Wasserstoffperoxid

Wasserstoffperoxid als Ziel im Kampf gegen Krebs? - Bauchspeicheldrüsenkrebszellen haben einen erhöhten Spiegel an Wasserstoffperoxid

Neue Chance für die Krebstherapie: Miniatur-Labor erlaubt Einblicke in das Entstehen von Metastasen - Gemeinsam mit Partnern entwickelt Fraunhofer IWS mikrophysiologische Systeme, in denen sich Tumor-Gewebeschnitte kultivieren lassen

Neue Chance für die Krebstherapie: Miniatur-Labor erlaubt Einblicke in das Entstehen von Metastasen - Gemeinsam mit Partnern entwickelt Fraunhofer IWS mikrophysiologische Systeme, in denen sich Tumor-Gewebeschnitte kultivieren lassen

Verfolgungsjagd winziger Vehikel - Mikroskop zeigt Nanofähren auf dem Weg in die Zelle

Basler Physiker messen erstmals Van-der-Waals-Kräfte einzelner Atome

Basler Physiker messen erstmals Van-der-Waals-Kräfte einzelner Atome