Bürsten mit Schalter

Neues Projekt zur Erforschung funktionaler Schichten aus Polymerbürsten

12.03.2007

Zähne putzen können diese Bürsten nicht, Geschirr spülen auch nicht. Dafür jedoch Regen abweisen, Rohre vor Verstopfung schützen oder das Abstoßen von Implantaten verhindern - jetzt noch nicht, aber irgendwann in der Zukunft, das prophezeien Wissenschaftler wie Manfred Stamm vom Dresdner Leibniz-Institut für Polymerforschung. Der Professor für Physikalische Chemie untersucht Polymerbürsten und deren erstaunliche Eigenschaften. Ob und wie sich bestimmte Eigenschaften je nach Bedarf sogar an- und abschalten lassen, will er gemeinsam mit Kollegen aus Deutschland und den USA in einem neuen Projekt herausfinden.

Polymerbürsten bestehen aus Polymeren, das sind lange Ketten winziger Moleküle. Die Molekülketten werden so dicht auf eine Oberfläche gepfropft, dass sie sich strecken müssen und abstehen wie Borsten. Je nach Art des Polymers können sie Wasser, Kalk oder andere Stoffe anziehen oder abstoßen. Gleich beides kann eine Bürste aus zwei Polymerarten mit entgegengesetzten Eigenschaften. Die sogenannten binären Polymerbürsten brauchen jedoch zusätzlich einen "Schalter", damit sie wissen, wann sie was tun sollen. Doch nicht Knöpfe oder Hebel erfüllen diese Aufgabe, sondern die Umgebungsbedingungen. "Wir schalten sie einfach durch Veränderung der Temperatur oder des pH-Werts", erklärt Manfred Stamm. "Nur die jeweils 'angeschaltete' Polymerart zeigt Wirkung, denn nur sie kann ihre 'Borsten' ausstrecken." Mit einer Beschichtung aus binären Polymerbürsten könnte beispielsweise ein Surfanzug Wasser bei 5 Grad Celsius abweisen und bei 25 Grad als angenehme Erfrischung durchlassen.

Doch von funktionaler Bekleidung oder anderen Anwendungen ist das Bürsten-mit-Schalter-Projekt derzeit noch weit entfernt, erst mal geht es um Grundlagenforschung. Welche Polymerarten eignen sich am besten? Und welche "Schalter"? Und tun die Bürsten tatsächlich das, was sie sollen? Mit bloßem Auge ist das nicht zu sehen, dafür sind die borstigen Gebilde zu klein. Karsten Hinrichs vom Institute for Analytical Sciences untersucht sie darum mit einem speziellen Gerät, einem sogenannten Ellipsometer. "Damit können wir die Polymerbürsten in Aktion beobachten, jedoch ohne sie dabei zu stören", erläutert der Berliner Physiker. Und Petra Uhlmann aus der Arbeitsgruppe von Manfred Stamm ergänzt: "Erst wenn wir genau wissen, wie die Bürsten funktionieren, können wir sie auch optimieren."

Ob sich die Polymerbürsten wie gewünscht schalten lassen, erproben die Wissenschaftler an Proteinen und anderen Nanopartikeln. Ist das Projekt erfolgreich, sind mögliche Anwendungen gar nicht mehr so weit weg, denn bestimmte Proteine bilden die Basis zum Züchten künstlichen Gewebes. Sind die Bürsten "an", können sich die Proteine auf ihnen ablagern, das Gewebe darauf in Ruhe wachsen. Zum Schluss muss es jedoch irgendwie wieder entfernt werden. "Bei den bisher verwendeten Methoden erfolgt die Ablösung auf chemischem Wege, wobei das künstliche Gewebe geschädigt werden kann", erklärt Petra Uhlmann. "Mit den schaltbaren Polymerbürsten wäre es einfacher: eine simple Änderung der Temperatur oder einer anderen Umgebungsbedingung - und das gezüchtete Hautgewebe oder Blutgefäß löst sich von allein und lässt sich problemlos ernten."

Weitere News aus dem Ressort Wissenschaft

Meistgelesene News

Weitere News von unseren anderen Portalen

Zuletzt betrachtete Inhalte

Ende eines 200-jährigen Streits: Erster Direkt-Nachweis des Elementes Fluor in der Natur

Ende eines 200-jährigen Streits: Erster Direkt-Nachweis des Elementes Fluor in der Natur

SkinSysTec und MelTec läuten eine neue Ära in der Funktionsaufklärung der Proteine ein

Künstliche Intelligenz hilft bei der Leukämie-Diagnose - Wie Maschinelles Lernen die Auswertung von Blutanalysedaten verbessert

Künstliche Intelligenz hilft bei der Leukämie-Diagnose - Wie Maschinelles Lernen die Auswertung von Blutanalysedaten verbessert

GLORIA: weltweit einzigartiges Experiment für die Klimaforschung

Neuer Distributor für Filter Specialists International in Österreich - Weiss Automations Systeme ist neuer exklusiver Distributor für Filter Spacialists International in Österreich

Forscher haben neues Sexualpheromon bei Fruchtfliegen entdeckt

Geheimnis der leistungsstarken neuartigen Solarzellenmaterialien in verblüffender Klarheit gelüftet - Kombination einer Reihe neuer Mikroskopietechniken ergab, warum Perowskit-Materialien scheinbar so tolerant gegenüber Defekten in ihrer Struktur sind

Geheimnis der leistungsstarken neuartigen Solarzellenmaterialien in verblüffender Klarheit gelüftet - Kombination einer Reihe neuer Mikroskopietechniken ergab, warum Perowskit-Materialien scheinbar so tolerant gegenüber Defekten in ihrer Struktur sind

Heiß und kalt: Molekulares Thermometer für kontaktlose Messungen mit infrarotem Licht - Molekularer Rubin für Anwendungen in den Materialwissenschaften, der Biologie und Medizin

Heiß und kalt: Molekulares Thermometer für kontaktlose Messungen mit infrarotem Licht - Molekularer Rubin für Anwendungen in den Materialwissenschaften, der Biologie und Medizin

Neuer Bluttest für Alzheimer - Wissenschaftler der Universitätsmedizin Göttingen untersuchen neuen Ansatz zur Früherkennung von Alzheimer

Innovativer Ansatz zur Zellbindung könnte unser Verständnis von Krankheiten verbessern

Innovativer Ansatz zur Zellbindung könnte unser Verständnis von Krankheiten verbessern

Metrohm will internationalen Hauptsitz in Herisau erweitern - Voraussichtlich 250 zusätzliche Arbeitsplätze in F&E und Fertigung

Metrohm will internationalen Hauptsitz in Herisau erweitern - Voraussichtlich 250 zusätzliche Arbeitsplätze in F&E und Fertigung

Merck liefert erste Produkte mit GHS-konformer Etikettierung aus