Elektronenblasen aus Röntgenlaserdaten modelliert

Ein internationales Team von Forschenden entwickelt ein wegweisendes Modell für die Auswirkungen von Strahlung in Wassersystemen

06.02.2024

Was passiert, wenn Strahlung auf Wasser trifft? Diese Frage ist sehr grundlegend, zum Beispiel wenn man beim Arzt geröntgt wird, denn wir selbst bestehen zum größten Teil aus Wasser. Ein Team von theoretischen Physiker:innen bei DESY hat jetzt Daten ausgewertet, die von Kolleg:innen des Argonne National Laboratory in den USA am Röntgenlaser LCLS in Kalifornien aufgenommen wurden, um eine bessere Antwort auf diese Frage zu finden. Ihre Ergebnisse könnten eine Kontroverse in der Physik über das Vorhandensein freier Elektronen im Wasser und ihr Verhalten auf sehr kurzen Zeitskalen beenden: Sie besagen, dass Elektronen, die nicht an Atome gebunden sind, in Blasen in käfigartigen Strukturen zwischen einzelnen Wassermolekülen eingeschlossen werden. Diese Ergebnisse wurden jetzt im „Journal of the American Chemical Society“ veröffentlicht.

DESY/ Arturo Sopena Moros

Mit Hilfe des Röntgenlasers LCLS in Kalifornien konnte das Experimentteam unter der Leitung der Argonne-Wissenschaftlerin Linda Young die Strukturen der Wassermoleküle abbilden, die die Elektronenblasen umgeben. Das Hamburger Theorieteam unter der Leitung von CFEL-Seniorwissenschaftler Ludger Inhester konnte anhand der Daten des Experimentteams modellieren, wie sich die Blase selbst verhält.

Bei ihrer Arbeit am LCLS am SLAC National Accelerator Laboratory entdeckte das Experimentierteam unter der Leitung der Argonne-Wissenschaftlerin Linda Young merkwürdige Signale von Wassermolekülen, die durch Laser angeregt und durch den Röntgenlaser abgebildet wurden. Mit Hilfe der Röntgenabsorptionsspektroskopie fanden sie Strukturen zwischen den Molekülen. Um ihre Ergebnisse besser interpretieren zu können, wandte sich das Experimentierteam an theoretische Physiker:innen in Hamburg.

Ein Team um den DESY-Wissenschaftler Ludger Inhester vom Center for Free-Electron Laser Science untersuchte die Daten und begann in Abstimmung mit dem Experimentierteam, Modelle aus den Daten zu erstellen. Gemeinsam zeigen sie, dass die freien Elektronen im Wasser Blasenstrukturen bilden, die dann von Wassermolekülen eingeschlossen werden, ähnlich wie Chemikalien auf molekularer Ebene in Wasser gelöst werden. Insbesondere gelang es dem DESY-Team, den Prozess hinter dieser Auflösung der Elektronen im Wasser und seine Parameter aufzuzeigen.

„Es stellte sich heraus, dass der Auflösungsprozess und damit die Bildung der Käfigstrukturen bemerkenswert empfindlich auf Temperaturänderungen im Wasser reagiert“, sagt Arturo Sopena, Erstautor der Studie. Die neuen Erkenntnisse über den Auflösungsprozess zeigen, dass das Elektron, das sich zunächst großräumig zwischen den Wassermolekülen aufhält, an spezifische Wasserstoffbrückenbindungsmuster andockt, die im molekularen flüssigen Wasser auftreten, und sich dann tiefer in einen sehr engen Bereich innerhalb der Wasserstruktur „eingräbt“. Dieses „Eingraben“ und die damit verbundene Neuausrichtung der benachbarten Wassermoleküle erfolgt bemerkenswert schnell und ist innerhalb von 100 Femtosekunden abgeschlossen, wobei eine Femtosekunde der billiardstel Teil einer Sekunde ist. Die Blase, die etwa 50 Milliardstel Meter breit ist, löst sich innerhalb von wenigen Pikosekunden, also Billionstel einer Sekunde, auf.

„Wie reagiert Wasser, wenn es Strahlung ausgesetzt wird? Das ist eine entscheidende Frage“, sagt Inhester. „Dies sind die ersten chemischen Reaktionsschritte, die durch die Strahlung ausgelöst werden und die auch die nachfolgende Strahlenchemie bestimmen, die auch für biologisches Material gilt.“

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