28.04.2023 - Universität Konstanz

Verborgener RNA-Reparaturmechanismus beim Menschen entdeckt

Funktionsaufklärung eines bisher nicht-charakterisierten, menschlichen Proteins

Konstanzer Forschende klären die Funktion eines bisher unerforschten Proteins auf: In drei charakteristischen Schritten verknüpft „C12orf29“ die Enden von RNA-Strängen miteinander. Beim Menschen waren Proteine, die diese Form der sogenannten RNA-Ligation durchführen, bisher nicht bekannt. Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass C12orf29 für die Reparatur von RNA bei zellulärem Stress von Bedeutung ist.

Ribonukleinsäuren (RNAs) sind einzelsträngige Moleküle, die in den Zellen aller Lebewesen eine essentielle Rolle spielen. Als „Abschriften“ unserer Gene sind beispielsweise mRNAs an der Umsetzung von Erbinformation beteiligt, indem sie in ihrer eigenen Sequenz die Bauanweisung eines zu bildenden Proteins tragen. „Um ihre vielfältigen Funktionen in der Zelle erfüllen zu können, müssen RNAs häufig nach ihrer Entstehung noch chemisch modifiziert werden bzw. nach Schädigung repariert werden“, erklärt Andreas Marx, Professor für Organische und Zelluläre Chemie an der Universität Konstanz.

Eine chemische Reaktion, die hierbei eine Rolle spielt, ist die Verknüpfung (Ligation) zweier RNA-Stränge in drei charakteristischen Schritten an ihren jeweils entgegenliegenden Enden. Sie ist bei allen erdenklichen Lebensformen, von Viren über Pilze bis hin zu Pflanzen, zu finden und wird von spezialisierten Enzymen, den sogenannten RNA-Ligasen, vermittelt. Von Wirbeltieren, einschließlich dem Menschen, gab es jedoch bisher keine Beispiele dieser RNA-Ligasen. Ein interdisziplinäres Forschungsteam aus Konstanz hat herausgefunden, dass das Protein C12orf29 die erste menschliche RNA-Ligase dieses Typs ist. Auf zellulärer Ebene deuten die Studienergebnisse, die in Nature Communications veröffentlicht wurden, auf eine Schutzfunktion des Enzyms vor zellulärem Stress hin.

Antioxidatives Abwehrsystem unserer Zellen

„C12orf29 ist uns bei umfangreichen Untersuchungen von menschlichen Lungenkarzinom- und Nierenzellen mittels neuer chemischer Werkzeuge aufgefallen, die wir auf der Suche nach Proteinen mit einer bestimmten chemischen Signatur durchgeführt haben. Es hat unsere Aufmerksamkeit erregt, da bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht verstanden war, welche Funktionen das Protein hat“, berichtet Marx. Die Forschenden entwickelten und nutzen daher verschiedene Protokolle zur Aufreinigung und Strukturvorhersage des unerforschten Proteins und führten Versuche durch, um seiner chemischen Funktion auf die Spur zu kommen. Sie konnten so nachweisen, was zunächst nur ein begründeter Verdacht war: C12orf29 verknüpft unter Verwendung von Adenosintriphosphat (ATP) RNA-Stränge.

Im Detail konnten die Forschenden zeigen, dass dies, wie bei bekannten RNA-Ligasen anderer Lebensformen, nach einem charakteristischen, dreistufigen Reaktionsmuster abläuft. Um mehr über die Funktion von C12orf29 auf zellulärer Ebene zu erfahren, gingen die Forschenden jedoch nach der Aufklärung des chemischen Mechanismus noch einen Schritt weiter. „Wir haben mithilfe der Genschere CRISPR/Cas eine Linie menschlicher Nierenzellen erzeugt, bei denen das Gen, das für C12orf29 kodiert, ausgeschaltet war. Diese Knockout-Zellen konnten wir dann unter verschiedenen Versuchsbedingungen mit ‚normalen‘ Nierenzellen vergleichen“, erklärt Marx.

Insbesondere bei der Behandlung mit Menadion, einem K-Vitamin, zeigten sich deutliche Unterschiede zwischen KO-Zellen und den sogenannten Wildtyp-Zellen mit funktionsfähiger RNA-Ligase: Vergleichsweise geringe Konzentrationen von Menadion reichten aus, um die KO-Zellen zu schädigen. Die Wildtyp-Zellen nahmen dagegen erst bei deutlich höheren Konzentrationen Schaden. Da Menadion bekannterweise oxidativen Stress verursacht, schlossen die Forschenden aus diesem Ergebnis, dass C12orf29 eine Schutzfunktion vor oxidativem, zellulärem Stress erfüllt. „Wir vermuten, dass dieser biologischen Funktion von C12orf29 ein bisher verborgener RNA-Reparaturmechanismus des Menschen zugrunde liegt, den es nun in weiteren Studien aufzuklären gilt“, so Marx.

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