20.10.2022 - Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU)

Lichtgetriebene Molekülschaukel

Chemiker und Physiker haben mit ultrakurzen Laserpulsen die Atome von Molekülen in Schwingung versetzt und die Dynamik der Energieübertragung analysiert

Trifft Licht auf Moleküle, wird es absorbiert und wieder abgegeben. Fortschritte in der Ultrakurzzeit-Laser-Technologie haben die Detailgenauigkeit bei der Untersuchung solcher Licht-Materie-Wechselwirkungen stetig verbessert. FRS, eine Laserspektroskopie-Methode, bei der das elektrische Feld von immer gleichen, sich Millionen Male pro Sekunde wiederholenden Laserpulsen nach dem Durchgang durch die Probe zeitaufgelöst aufgenommen wird, ermöglicht jetzt noch tiefere Einblicke: Ein Team unter Leitung von LMU-Chemikerin Prof. Regina de Vivie-Riedle und LMU-Physiker Ioachim Pupeza zeigte nun erstmals in Theorie und Experiment, wie in der zeitaufgelösten Spektroskopie die Moleküle die Energie des Lichtpulses in jedem einzelnen optischen Zyklus schrittweise absorbieren und anschließend über einen längeren Zeitraum wieder abgeben und dadurch in spektroskopisch verwertbares Licht konvertieren. Die Studie beleuchtet die Mechanismen, die diesen Energietransfer fundamental bestimmen.

Schaukelt ein Kind, setzt es dabei die Schaukel mit Kippbewegungen des Körpers in Bewegung, diese müssen dann mit der Schaukelschwingung synchronisiert werden. Dadurch führt es der Schaukel nach und nach Energie zu. Die Auslenkung der Schaukel erhöht sich mit der Zeit. Etwas Ähnliches passiert, wenn das elektromagnetische Wechselfeld eines kurzen Laserpulses mit einem Molekül interagiert, nur etwa 100 Billionen Mal schneller: Wenn das Wechselfeld mit den Schwingungen zwischen den Atomen des Moleküls synchronisiert ist, nehmen diese Schwingungen immer mehr Energie aus dem Lichtpuls auf, und die Schwingung verstärkt sich. Wenn die anregenden Schwingungen vorüber sind, schwingt das Molekül noch eine Weile weiter – ebenso wie eine Schaukel, nachdem die schaukelnde Person mit der antreibenden Bewegung aufgehört hat. Wie eine Antenne strahlen dann die sich bewegenden, leicht elektrisch geladenen Atome ein Lichtfeld ab. Dabei ist die Schwingungsfrequenz durch Eigenschaften des Moleküls wie atomare Massen und Bindungsstärken bestimmt, was eine Identifizierung des Moleküls ermöglicht.

"Wir können genau verfolgen, wie ein Molekül bei jeder weiteren Schwingung des Lichtfelds ein wenig mehr Energie aufnimmt", Dr. Ioachim Pupeza, Leiter des Experiments.

Forschende des attoworld-Teams an der LMU und am MPQ sowie der Abteilung für Theoretische Femtochemie des Chemie-Departments der LMU haben diese beiden Bestandteile des Lichtfeldes – einerseits die anregenden Lichtpulse und andererseits das Nachschwingen – mit zeitaufgelöster Spektroskopie unterschieden. Untersucht haben sie dabei das Verhalten von in Wasser gelösten organischen Molekülen. „Während etablierte Laserspektroskopie-Methoden meist nur das Spektrum messen und damit keine Information über die zeitliche Verteilung der Energie zulassen, kann unsere Methode genau verfolgen, wie das Molekül bei jeder weiteren Schwingung des Lichtfeldes ein wenig mehr Energie aufnimmt“, sagt Ioachim Pupeza, Leiter des Experiments. Dass die Messmethode diese zeitliche Unterscheidung zulässt, wird am besten dadurch deutlich, dass das Team das Experiment wiederholt und dabei die Dauer des anregenden Pulses geändert hat, ohne aber dessen Spektrum zu ändern. Für den dynamischen Energietransfer zwischen Licht und schwingendem Molekül macht das einen großen Unterschied: Abhängig von der zeitlichen Struktur des Laserpulses kann das Molekül dann während der Anregung mehrmals Energie aufnehmen und abgeben.

Quantenchemisches Modell aus dem Supercomputer

Um genau zu verstehen, welche Beiträge für den Energietransfer ausschlaggebend sind, haben die Forschenden ein Supercomputer-gestütztes quantenchemisches Modell entwickelt. Dieses kann die Ergebnisse der Messungen ohne Zuhilfenahme von Messwerten erklären. „Das erlaubt uns, einzelne Effekte wie die Stöße der schwingenden Moleküle mit ihrer Umgebung oder auch die dielektrischen Eigenschaften der Umgebung künstlich auszuschalten und so ihren Einfluss auf den Energietransfer aufzuklären“, erläutert Martin Peschel, einer der Erstautoren der Studie.

Am Ende ist die während des Nachschwingens wieder abgestrahlte Energie ausschlaggebend dafür, wie viel Information aus einer spektroskopischen Messung gewonnen werden kann. Die Arbeit leistet somit einen wertvollen Beitrag, um die Effizienz optischer Spektroskopien (etwa in Bezug auf molekulare Zusammensetzungen von Fluiden oder Gasen) besser zu verstehen, mit dem Ziel, diese immer weiter zu verbessern.

Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU)

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