Alzheimer-Auslöser enttarnt

Beta-Amyloid-Fibrillen aus menschlichem Gewebe aufbereitet

11.11.2019 - Deutschland

Wissenschaftlern der Universität Ulm ist es erstmals gelungen, Beta-Amyloid-Fibrillen aus dem menschlichen Gehirn zu isolieren und zu untersuchen. Diese Eiweißfasern stehen im Verdacht, die Alzheimer-Krankheit sowie die Zerebrale Amyloid-Angiopathie mit auszulösen. Veröffentlicht wurde die Studie, an der auch Forscher aus Tübingen, Halle und San Diego beteiligt waren, im Fachjournal Nature Communications.

© Kollmer et al., Nature Communications

Kryo-elektronenmikroskopische Aufnahme von Aß-Amyloid Fibrillen aus dem Hirngewebe von Alzheimer-Patienten. Hervorgehoben sind einzelne Fibrillen mit unterschiedlichen Formen (Morphologie I und II).

© Kollmer et al., Nature Communications

Seitenansicht einer Aß-Amyloid-Fibrille (links), Querschnitt einer Fibrill-Ebene (oben mitte). Die gesamte Fibrille besteht aus mehreren gestapelten Ebenen (rechts unten).

© Kollmer et al., Nature Communications
© Kollmer et al., Nature Communications

Dass Morbus Alzheimer mit Proteinablagerungen im Gehirn einhergeht, ist seit vielen Jahren bekannt. Unter Alzheimer-Forschern gelten dabei zwei Proteine, Tau und Beta-Amyloid, als besonders krankheitsverursachend. Diese Eiweiße bilden lange Molekülketten, sogenannte Fibrillen, die sich als Faserklumpen im Gehirn ansammeln. Die genaue Ursache, warum sich körpereigene Proteine krankhaft entwickeln und zu degenerativen Veränderungen des Gehirns führen, ist noch nicht bekannt.

Wissenschaftlern der Universität Ulm ist es jedoch erstmals gelungen, Beta-Amyloid-Fibrillen aus Gewebeproben erkrankter Menschen zu extrahieren und präzise darzustellen. Die Überraschung dabei: die Fasern unterscheiden sich sehr deutlich von den bisher zur Forschung genutzten, synthetisch erzeugten Fibrillen. „Unsere Hauptergebnisse sind, dass wir die Struktur von Beta-Amyloid sichtbar machen konnten, und dass sie sich fundamental von bisherigen Annahmen unterscheidet“, erklärt Professor Marcus Fändrich, Leiter des Instituts für Proteinbiochemie der Universität Ulm. Zum einen sind die einzelnen Peptide, aus denen sich die Fibrillen zusammensetzen, anders gestaltet als die Exemplare aus dem Reagenzglas, zum anderen sind die nun untersuchten Fibrillen in sich völlig anders verdrillt als die synthetischen Exemplare. „Das ist eine grundsätzlich andere Eigenschaft, die wir so nicht erwartet hatten“, sagt Fändrich.

Eine große Herausforderung war es, die Amyloid-Fibrillen aus dem Gewebe zu lösen und aufzureinigen

Für ihre Studie untersuchten die Wissenschaftler Gewebeproben dreier Patienten, in denen sie die gleichen Strukturen fanden. Diesem Forschungsergebnis gingen mehr als vier Jahren intensiver Arbeit voraus. Zunächst stand das durch Wissenschaftler aus Tübingen, Halle (Saale) und San Diego ergänzte Ulmer Team vor der Herausforderung, die Beta-Amyloid-Fibrillen aus den Gewebeproben zu lösen und in vielen Arbeitsschritten aufzureinigen. Bei der Betrachtung unter dem Kryo-Elektronenmikroskop wiesen die Fibrillen zudem zahlreiche unterschiedliche Subtypen auf, was die Auswertung weiter erschwerte.

Der Entschlüsselung der Ursachen von Alzheimer-Erkrankungen sind die Ulmer Forscher damit womöglich einen Schritt näher gekommen. Eine der krankheitsverursachenden Strukturen, die Beta-Amyloid im Gehirn annehmen kann, sei nun viel genauer bekannt. „Die Wissenschaft wird jetzt im Reagenzglas Bedingungen finden müssen, die diese Strukturen hervorrufen“, erklärt Fändrich. Auf Basis dieser Beta-Amyloid-Strukturen könnten weitergehende Untersuchungen folgen. Außerdem müsse sich erweisen, ob die Informationen über die Beta-Amyloid-Struktur für die Entwicklung von pharmazeutischen Wirkstoffen genutzt werden könnten. In der Fachwelt hat die jüngste Nachricht aus Ulm bereits für ein beträchtliches Echo gesorgt.

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