24.09.2019 - Leibniz-Institut für Photonische Technologien e.V.

Kinobilder aus lebenden Zellen

Forscherteam 
verbessert superauflösende Mikroskopie

Um Zellen bei der Arbeit zu beobachten, müssen Forscher ein physikalisches Gesetz aushebeln. Eine der schnellsten Techniken, um die Auflösungsgrenze der klassischen Lichtmikroskopie zu überwinden, ist die hochauflösende strukturierte Beleuchtungsmikroskopie. Sie macht Details sichtbar, die etwa hundert Nanometer winzig sind. Die Daten wieder in Bilder zu übersetzen, kostete bislang allerdings viel Zeit. Ein Forscherteam der Universität Bielefeld, des Leibniz-Instituts für Photonische Technologien und der Friedrich-Schiller-Universität Jena entwickelte nun eine Technik, um Vorgänge in der Zelle live zu beobachten.

Computerspielern verhilft die Grafikkarte sonst zu einem tollen Spiele-Erlebnis. Die Forscher nutzen sie, um kleinste Zellbestandteile in Aktion zu beobachten — in Echtzeit und mit einer sehr hohen Bildfrequenz. „Die Bilddaten lassen sich etwa zwanzigmal schneller rekonstruieren als dies auf einem PC dauern würde“, erläutert Rainer Heintzmann vom Leibniz-Institut für Photonische Technologien (Leibniz-IPHT), der bereits 1998 die Grundlagen zum Verfahren der strukturierten Beleuchtung in der Hochauflösungsmikroskopie legte. Gemeinsam mit ihm baute das Bielefelder Forscherteam um Prof. Thomas Huser die Technik der superauflösenden strukturierten Beleuchtungsmikroskopie (Super-Resolved Structured Illumination Microscopy, SR-SIM) nun weiter aus.

Bei dem fluoreszenzmikroskopischen Verfahren SR-SIM werden Objekte über ein spezielles Muster mit Laserlicht bestrahlt. Es regt besondere, fluoreszierende Moleküle in der Probe an, sodass sie Licht in einer anderen Wellenlänge wieder abgeben. Die mikroskopische Aufnahme zeigt dann dieses abgestrahlte Licht. Es wird zunächst in mehreren Einzelbildern aufgenommen und dann als hochaufgelöstes Bild auf einem Computer rekonstruiert. „Vor allem der zweite Schritt hat bisher sehr viel Zeit gekostet“, sagt Andreas Markwirth von der Universität Bielefeld, der Erstautor der Studie. Indem sein Forscherteam für das neue Mikroskop Parallelrechner-Verfahren auf modernen Grafikkarten einsetzt, konnte es die Bildrekonstruktion nun deutlich beschleunigen. Eine minimale Verzögerung von 250 Millisekunden sei für das menschliche Auge fast nicht wahrnehmbar. Auch die Rohdaten lassen sich mit dem neu erforschten Mikroskop schneller erzeugen.

Strukturen, die für herkömmliche Mikroskope unsichtbar sind

„Das macht es möglich, Proben schnell zu vermessen und bereits während eines Experiments Versuchsbedingungen sofort anzupassen, anstatt diese erst im Nachhinein auswerten zu können“, beschreibt Rainer Heintzmann den praktischen Nutzen der neuen Technik.

Für ihre Studie haben die Wissenschaftler das Verfahren an biologischen Zellen getestet und die Bewegungen von Mitochondrien aufgezeichnet, den etwa einen Mikrometer kleinen Energiezentren der Zellen. „Wir konnten ungefähr 60 Einzelbilder pro Sekunde erzeugen – das ist eine höhere Bildfrequenz als bei Kinofilmen. Zwischen Messung und Bild liegen weniger als 250 Millisekunden, daher erlaubt die Technik Echtzeitaufnahmen“, so Andreas Markwirth.

Bisher werden superauflösende oft mit herkömmlichen Verfahren kombiniert: Ein herkömmliches schnelles Mikroskop wird genutzt, um Strukturen zunächst zu finden. Danach können diese Strukturen über ein superauflösendes Mikroskop im Detail untersucht werden. „Manche Strukturen sind aber so klein, dass sie mit herkömmlichen Mikroskopen gar nicht erst gefunden werden können, zum Beispiel spezielle Poren in Leberzellen. Unser Verfahren ist sowohl hochauflösend als auch schnell – das ermöglicht Biologinnen und Biologen, solche Strukturen zu erforschen“, so Thomas Huser. Eine andere Anwendung für das neue Mikroskop ist die Untersuchung von Virenpartikeln auf ihrem Weg durch die Zelle. „So können wir nachvollziehen, was bei Infektionsprozessen genau passiert“, sagt Huser.

Superauflösende Mikroskope gibt es erst seit etwa 20 Jahren. Ernst Abbe hatte 1873 herausgefunden, dass die Auflösung eines optischen Systems für sichtbares Licht auf etwa 250 Nanometer begrenzt ist. In den vergangenen Jahren wurden jedoch gleich mehrere optische Verfahren entwickelt, um die Abbesche Auflösungsgrenze zu unterschreiten. Für die Entwicklung einer Superauflösung im Bereich von etwa 20 bis 30 Nanometer erhielten die US-Amerikaner William E. Moerner und Eric Betzig sowie der Deutsche Stefan Hell 2014 den Nobelpreis für Chemie.

Leibniz-Institut für Photonische Technologien e.V.

Jetzt Infos anfordern

News weiterempfehlen PDF Ansicht / Drucken

Teilen bei

Fakten, Hintergründe, Dossiers
  • Echtzeitmikroskopie
  • Superauflösungsmikroskopie
Mehr über IPHT
  • News

    Höchste Präzision: Mikrostrukturierte Faser vermisst Größe von Nanopartikeln

    Forschende am Leibniz-Institut für Photonische Technologien (Leibniz-IPHT) haben ein neues Glasfaserdesign entwickelt, das außergewöhnlich lange Beobachtungen einer großen Anzahl einzelner, frei beweglicher Nanopartikel in einer Flüssigkeit ermöglicht. Dadurch kann die Größenverteilung von ... mehr

    Ausgezeichnete Bausteine für Moleküle und Mikroskope

    Der Leibniz-Gründungspreis 2022 geht an die Ausgründungen PROSION GmbH des Leibniz-Forschungsinstituts für Molekulare Pharmakologie in Berlin sowie openUC2 des Leibniz-Instituts für Photonische Technologien in Jena. PROSION forscht an Wirkstoffen zur Adressierung bislang unerreichbarer Prot ... mehr

    Raman-Mikrospektroskopie für die Mikrobiologie

    Die Raman-Mikrospektroskopie ist eine schnelle und nicht-invasive Technologie, um die chemische Zusammensetzung lebender Mikroorganismen nahezu in Echtzeit zu bestimmen. Jürgen Popp, wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-Institut für Photonische Technologien, beschreibt gemeinsam mit eine ... mehr

Mehr über Uni Bielefeld
  • News

    Nanoskopie auf dem Chip: Mikroskopie in HD-Qualität

    Physiker der Universität Bielefeld und der norwegischen Universität Tromsø haben einen Chip entwickelt, der super-auflösende Lichtmikroskopie, auch „Nanoskopie“ genannt, mit herkömmlichen Mikroskopen ermöglicht. Bei der Nanoskopie wird die Position einzelner fluoreszierender Moleküle mit ei ... mehr

    Nanoinjektion steigert Überlebensrate von Zellen

    Wie entwickeln sich Tumore? Und wie wandeln Bakterien harmlose Substanzen in medizinische Wirkstoffe um? Wenn Biophysiker verstehen wollen, was in lebenden Zellen vorgeht, müssen sie Farbstoffe oder andere Fremdmoleküle hineinbringen. Um die Zellwand zu überwinden, ohne die Zelle dauerhaft ... mehr

    Raumschiff Enterprise Konzept: Optischer Traktorstrahl hält Bakterien fest

    Wenn Naturwissenschaftler Blutzellen, Algen oder Bakterien mit dem Mikroskop untersuchen wollen, müssen sie diese Zellen bisher auf Trägermaterial, etwa Glasplättchen, befestigen. Physiker der Universitäten Bielefeld und Frankfurt am Main haben eine Methode entwickelt, mit der sich biologis ... mehr

Mehr über Uni Jena
  • News

    Den Geruchsinn digitalisieren

    Gerade ist das von der Europäischen Union (EU) mit rd. 3 Millionen Euro geförderte Projekt „Smart Electronic Olfaction for Body Odor Diagnostics“ – kurz SMELLODI – gestartet. Die beteiligten Partnerinstitute aus Deutschland, Israel und Finnland sowie das Dresdner Startup SmartNanotubes Tech ... mehr

    Künstliche Intelligenz für eine bessere Diagnostik

    Lichtbasierte Verfahren werden zunehmend für analytische Fragestellungen in den Bereichen Gesundheit, Umwelt, Medizin und Sicherheit eingesetzt. Insbesondere die Raman-Spektroskopie ist hierfür eine geeignete Methode. Die dabei erhobenen Messdaten sind komplexe molekulare Fingerabdrücke. Kü ... mehr

    Mit künstlicher Intelligenz zu neuen Naturstoffen

    Sie sind entzündungshemmend, können Krankheitskeime abwehren oder unterbinden sogar das Wachstum von Krebszellen – Wirkstoffe aus der Natur. Mehr als ein Drittel aller heute verfügbaren Medikamente basieren auf solchen sekundären Naturstoffen, wie sie in zahlreichen Pflanzen, Bakterien und ... mehr