Alzheimer sehr früh im Blut erkennen

06.05.2019 - Deutschland

Erst kürzlich sind zwei große Studien mit neuen Wirkstoffen gescheitert – vielleicht weil sie zu spät eingesetzt werden. Ein neuer Früherkennungstest gibt Hoffnung.

© RUB, Marquard

Klaus Gerwert (links) und Andreas Nabers entwickleln den Alzheimer-Sensor Schritt für Schritt weiter.

Die Alzheimerkrankheit, häufigste Ursache für Demenz, kann mit derzeitigen Techniken erst erkannt werden, wenn sich die typischen Plaques im Gehirn gebildet haben. Aber dann scheint keine Therapie mehr möglich. Die ersten Veränderungen durch die Alzheimerkrankheit finden auf Proteinebene schon bis zu 20 Jahre früher statt. Mit einem an der Ruhr-Universität Bochum (RUB) entwickelten zweistufigen Verfahren kann die Erkrankung allerdings schon früher erkannt werden.

„Damit ist ein neuer Weg für sehr frühe Therapieansätze geebnet, bei dem die bisher erfolglosen Medikamente und einstigen Hoffnungsträger vielleicht doch noch wirken könnten“, so Prof. Dr. Klaus Gerwert vom Lehrstuhl für Biophysik der RUB.

Protein faltet sich falsch

Schon lange vor den ersten Symptomen faltet sich das Protein Amyloid-Beta bei Alzheimerpatienten auf krankhafte Weise falsch. Diese Fehlfaltung konnte ein Forscherteam unter Leitung von Klaus Gerwert mittels eines einfachen Bluttests diagnostizieren und damit im Mittel acht Jahre vor dem Auftreten erster klinischer Symptome die Erkrankung feststellen. Für die klinische Anwendung war der Test allerdings noch nicht geeignet, denn er erkannte zwar 71 Prozent der Alzheimerfälle in symptomlosen Stadien, jedoch wurden neun Prozent der Studienteilnehmer falsch positiv diagnostiziert. Um die Anzahl der korrekt erkannten Alzheimerfälle zu erhöhen und die der falsch positiven Diagnosen zu reduzieren, arbeiteten die Forscher mit Hochdruck an einer Optimierung des Tests.

Zweiter Biomarker

Das ist ihnen jetzt mit dem zweistufigen Diagnostikverfahren gelungen. Dabei nutzen sie den ursprünglichen Bluttest zur Identifizierung von Hochrisiko-Personen. Bei allen Probanden, die in diesem Test positiv auf die Alzheimerkrankheit getestet wurden, nehmen sie einen weiteren demenzspezifischen Biomarker dazu, das Tau-Protein. Zeigen beide Biomarker ein positives Ergebnis, ist die Alzheimererkrankung hoch wahrscheinlich. „Durch die Kombination beider Messungen wurden in unserer Studie 87 von 100 Alzheimererkrankte richtig erkannt“, fasst Klaus Gerwert zusammen. „Die falsch positiv getesteten Gesunden konnten wir sogar auf 3 von 100 reduzieren.“ Die zweite Messung erfolgt an Nervenwasser, das dem Rückenmark entnommen wird, dem sogenannten Liquor.

„Jetzt können neue klinische Studien mit Probanden in sehr frühen Krankheitsstadien starten“, so Gerwert. Er hofft, dass die vorhandenen therapeutischen Antikörper vielleicht doch noch greifen. „Kürzlich sind zwei sehr große vielversprechende Studien gescheitert – nicht zuletzt, weil die Therapie vermutlich zu spät begonnen wurde. Der Test eröffnet ein neues Behandlungsfenster.“

„Sobald sich die Amyloid-Plaques gebildet haben, scheint die Erkrankung nicht mehr therapierbar zu sein“, so Dr. Andreas Nabers, Arbeitsgruppenleiter und Mitentwickler des Alzheimersensors. „Sollte es uns nicht gelingen, Alzheimer aufzuhalten, droht unserer alternden Gesellschaft eine enorme Belastung.“

Sensortest ist einfach und robust

Der Bluttest wurde am Lehrstuhl für Biophysik der RUB zu einem voll automatisierten Verfahren ausgebaut. „Der Sensor ist einfach zu nutzen, robust gegen Konzentrationsschwankungen von Biomarkern und standardisiert“, erklärt Andreas Nabers. „Wir arbeiten jetzt intensiv daran, auch den zweiten Biomarker, das Tau-Protein, im Blut zu detektieren, um künftig ein rein blutbasiertes Testverfahren anzubieten“, so Klaus Gerwert.

Originalveröffentlichung

Weitere News aus dem Ressort Wissenschaft

Meistgelesene News

Weitere News von unseren anderen Portalen

Verwandte Inhalte finden Sie in den Themenwelten

Themenwelt Diagnostik

Die Diagnostik ist das Herzstück der modernen Medizin und bildet in der Biotech- und Pharmabranche eine entscheidende Schnittstelle zwischen Forschung und Patientenversorgung. Sie ermöglicht nicht nur die frühzeitige Erkennung und Überwachung von Krankheiten, sondern spielt auch eine zentrale Rolle bei der individualisierten Medizin, indem sie gezielte Therapien basierend auf der genetischen und molekularen Signatur eines Individuums ermöglicht.

Themenwelt anzeigen
Themenwelt Diagnostik

Themenwelt Diagnostik

Die Diagnostik ist das Herzstück der modernen Medizin und bildet in der Biotech- und Pharmabranche eine entscheidende Schnittstelle zwischen Forschung und Patientenversorgung. Sie ermöglicht nicht nur die frühzeitige Erkennung und Überwachung von Krankheiten, sondern spielt auch eine zentrale Rolle bei der individualisierten Medizin, indem sie gezielte Therapien basierend auf der genetischen und molekularen Signatur eines Individuums ermöglicht.

Zuletzt betrachtete Inhalte

Umweltbundesamt schlägt fünf Anthracenöle für EU-weite Zulassungspflicht vor - Dennoch bleibt REACH bislang hinter den Erwartungen zurück

Beckman Coulter Life Sciences ernennt Joe Fox zum Präsidenten

Beckman Coulter Life Sciences ernennt Joe Fox zum Präsidenten

Bayer-Innovation mit Hermes-Award-Auszeichnung prämiert

Gassensoren sollen erstmals Geruchsbelastungen im Freien aufspüren

Human-Biomonitoring: unverzichtbares Instrument des Arbeitsschutzes und des gesundheitsbezogenen Umweltschutzes

Antibakterielle Nanomaterialien: Aktive Zentren bei Wasserdesinfektion sichtbar gemacht - Fluoreszenzlebensdauer-Mikroskopie hat großes Potenzial, um die Effektivität antibakterieller Nanomaterialien gezielt zu steigern

Antibakterielle Nanomaterialien: Aktive Zentren bei Wasserdesinfektion sichtbar gemacht - Fluoreszenzlebensdauer-Mikroskopie hat großes Potenzial, um die Effektivität antibakterieller Nanomaterialien gezielt zu steigern

Neue präzisere Cas9-Variante - Spezifischere CRISPR-Cas9 Genschere macht Genom-Editierung noch präziser

Neue präzisere Cas9-Variante - Spezifischere CRISPR-Cas9 Genschere macht Genom-Editierung noch präziser

GSG Mess- und Analysengeräte verstärkt die Massenspektrometrie

Mikroskopische Umwandlungen von Elektrodenoberflächen - Forschungsteam zeigt die Entstehung von Unordnung auf Kupferoberflächen während der Katalyse

Mikroskopische Umwandlungen von Elektrodenoberflächen - Forschungsteam zeigt die Entstehung von Unordnung auf Kupferoberflächen während der Katalyse

Innovationen fördern den Zukunftsmarkt Biophotonik - Deutsche Hersteller im internationalen Wettbewerb gut positioniert

Goldene Hochzeit für Moleküle - Chancen für eine "neue" Chemie

Goldene Hochzeit für Moleküle - Chancen für eine "neue" Chemie

Neues Tool kartiert mikrobielle Diversität mit noch nie dagewesenen Details - Das innovative Werkzeug ermöglicht die Analyse von strukturellen genomischen Variationen in mikrobiellen Populationen

Neues Tool kartiert mikrobielle Diversität mit noch nie dagewesenen Details - Das innovative Werkzeug ermöglicht die Analyse von strukturellen genomischen Variationen in mikrobiellen Populationen