KI in der Zellforschung: Moscot enthüllt Zelldynamik in bisher unerreichter Detailtiefe
Ein Wendepunkt in der medizinischen Forschung
Dank einer neuen Technologie namens Moscot („Multi-Omics Single-Cell Optimal Transport“) ist es Forschenden nun möglich, Millionen von Zellen gleichzeitig zu beobachten, während sie sich zu einem neuen Organ entwickeln – zum Beispiel einer Bauchspeicheldrüse. Diese bahnbrechende Methode wurde von einem internationalen Forschungsteam unter der Leitung von Helmholtz Munich entwickelt. Ihre Ergebnisse haben sie im Fachjournal Nature veröffentlicht.
Bisher hatten Biolog:innen nur ein eingeschränktes Verständnis davon, wie sich Zellen in ihrer natürlichen Umgebung entwickeln – etwa wenn sie im Embryo ein Organ bilden. „Die bisherigen Methoden lieferten lediglich Momentaufnahmen von wenigen Zellen und konnten die dynamischen Prozesse in Raum und Zeit nicht miteinander verknüpfen“, erklärt Dominik Klein, einer der Erstautoren der Studie, Doktorand am Institute of Computational Biology bei Helmholtz Munich und Wissenschaftler an der Technischen Universität München (TUM). „Das hat unser Verständnis der komplexen Wechselwirkungen während der Organentwicklung und bei Krankheitsprozessen stark limitiert.“
Moscot lernt die Zellentwicklung in ganzen Organen und Organismen
Gemeinsam mit einem interdisziplinären Team um Giovanni Palla (Helmholtz Munich), Marius Lange (ETH Zürich), Michal Klein (Apple) und Zoe Piran (Hebrew University of Jerusalem) hat Dominik Klein Moscot entwickelt. Das Team stützte sich dabei auf eine Theorie, die bereits im 18. Jahrhundert entwickelt wurde: die Theorie des optimalen Transports, die beschreibt, wie sich Dinge möglichst effizient von einem Ort zum anderen bewegen lassen, um Zeit, Energie oder Kosten zu minimieren. Die Anwendung des optimalen Transports auf zwei Populationen von Zellen war bisher durch die Größe der biomedizinischen Datensätze limitiert. Diese Hürde konnte nun dank Fortschritten in der künstlichen Intelligenz überwunden werden, welche maßgeblich von Ko-Autor Marco Cuturi (Apple) geprägt wurden. „Wir haben unsere mathematischen Modelle so angepasst, dass sie die molekularen Informationen und die Position der Zellen im Körper während ihrer Entwicklung präzise abbilden können. Die Theorie des optimalen Transports hilft uns zu verstehen, wie sich Zellen bewegen, sich verändern und von einem Zustand in den nächsten übergehen“, so Klein. Dies ermöglicht es nun, Millionen von Zellen gleichzeitig zu beobachten – mit einer bisher unvorstellbaren Genauigkeit.
Moscot bietet die multimodale Zuordnung von Einzelzellen im räumlichen Gewebe und spielt eine entscheidende Rolle bei dynamischen biologischen Prozessen. Es ermöglicht die zeitliche Verknüpfung von Millionen von Zellen, wodurch Veränderungen in der Genexpression mit Zellentscheidungen in Beziehung gesetzt werden können. Die Implementierung von Moscot zielt darauf ab, enorme Datenmengen mithilfe komplexer Algorithmen zu analysieren und gleichzeitig einen intuitiven Zugang für Biolog:innen zu schaffen. Zudem erfasst Moscot präzise und simultan den molekularen Zustand einer großen Anzahl von Zellen und beschreibt deren Entwicklung in Raum und Zeit parallel. Dadurch wird es erstmals möglich, komplexe zelluläre Prozesse innerhalb ganzer lebender Organe und Organismen zu verfolgen und besser zu verstehen.
Neue Einblicke in die Pankreas- und Diabetesforschung
Insbesondere in der Pankreasforschung hat die Anwendung von Moscot neue Einblicke geliefert: Dem Team gelang es, basierend auf multimodalen Messungen die Entwicklung hormonproduzierender Zellen in der Bauchspeicheldrüse zu kartieren. Auf dieser Grundlage können Wissenschaftler:innen nun detailliert die zugrundeliegenden Mechanismen von Diabetes entschlüsseln. „Diese neue Sicht auf zelluläre Prozesse eröffnet Chancen für zielgerichtete Therapien, die direkt an den Ursachen von Krankheiten ansetzen, statt nur Symptome zu behandeln“, sagt Prof. Heiko Lickert, der bei Helmholtz Munich das Institut für Diabetes und Regenerationsforschung leitet und gemeinsam mit Prof. Fabian Theis Letztautor der Studie ist.
Ein Wendepunkt in der medizinischen Forschung
Fabian Theis, Direktor des Institute of Computational Biology bei Helmholtz Munich und TUM-Professor, hebt die Bedeutung von Moscot für die biomedizinische Forschung hervor: „Moscot verändert die Art und Weise, wie wir biologische Daten verstehen und nutzen. Es ermöglicht uns nicht nur, die Dynamik der Zellentwicklung in bisher unerreichter Detailtiefe zu erfassen. Wir können auch präzise Vorhersagen über die Entwicklung von Krankheiten treffen mit dem Ziel, personalisierte Therapieansätze zu entwickeln.“
Für Theis ist Moscot ein Musterbeispiel an interdisziplinärer Zusammenarbeit: „Die erfolgreiche Verbindung von Mathematik und Biologie in diesem Projekt zeigt eindrucksvoll, wie entscheidend die Kooperation verschiedener Disziplinen für echte wissenschaftliche Durchbrüche ist. Dank der engen Kollaboration mit dem Team um Heiko Lickert vom Helmholtz Diabetes Center war es uns möglich, die durch Moscot getroffenen Vorhersagen mit Experimenten im Labor zu validieren.“
Originalveröffentlichung
Dominik Klein, Giovanni Palla, Marius Lange, Michal Klein, Zoe Piran, Manuel Gander, Laetitia Meng-Papaxanthos, Michael Sterr, Lama Saber, Changying Jing, Aimée Bastidas-Ponce, Perla Cota, Marta Tarquis-Medina, Shrey Parikh, Ilan Gold, Heiko Lickert, Mostafa Bakhti, Mor Nitzan, Marco Cuturi, Fabian J. Theis; "Mapping cells through time and space with moscot"; Nature, 2025-1-22
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Originalveröffentlichung
Dominik Klein, Giovanni Palla, Marius Lange, Michal Klein, Zoe Piran, Manuel Gander, Laetitia Meng-Papaxanthos, Michael Sterr, Lama Saber, Changying Jing, Aimée Bastidas-Ponce, Perla Cota, Marta Tarquis-Medina, Shrey Parikh, Ilan Gold, Heiko Lickert, Mostafa Bakhti, Mor Nitzan, Marco Cuturi, Fabian J. Theis; "Mapping cells through time and space with moscot"; Nature, 2025-1-22
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