Pharma- und Life-Science-Industrie sieht sich weiterhin als Wachstumsbranche

PwC-Studie: Top-Manager besorgt über Schutz geistigen Eigentums und staatliche Überregulierung

04.02.2008

Die Vorstandschefs der Pharma- und Life-Science-Industrie sehen ihre Unternehmen weltweit steigenden Anforderungen und Risiken ausgesetzt. Gleichzeitig erkennen sie aber auch wachsende Chancen: In den großen Industrienationen führen moderne Lebensweisen und die steigende Lebens­erwartung zu einem größeren Bedarf an medikamentöser Behandlung und zu neuen Therapiefeldern. Wachstumsregionen wie zum Beispiel die BRIC-Staaten erreichen zunehmend ein Niveau eines Lebensstandards, das höhere Gesundheitsausgaben erlaubt. Insgesamt sind die Top-Manager der Pharmaunternehmen weltweit zuversichtlich, auch in Zukunft eine Wachstumsbranche zu bleiben.

Dies geht aus der branchenbezogenen Auswertung "11th Annual Global CEO Survey 2008. Pharmaceutical and Life Sciences Summary" hervor, die die Wirtschafts­prüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) während des World Economic Forums in Davos vorgestellt hat. Im Zuge dieser Studie wurden 1.150 CEOs aus 50 Ländern befragt, davon 32 aus der Pharma- und Life-Science-Industrie. Diese Branche umfasst die Hersteller von Originalpräparaten und Generika, biotechnologischen Produkten sowie Geräten für die Diagnose und Therapie.

Kurzfristig sind die Top-Manager der analysierten Branche etwa gleich zuversichtlich wie der Durchschnitt der gesamten Industrie. In der PwC-Umfrage äußerten sich 50 Prozent "sehr zuversichtlich" und weitere 34 Prozent "zuversichtlich" über das Um­satzwachstum ihrer Unternehmen in den kommenden zwölf Monaten. Insgesamt blicken also 84 Prozent der Pharma- und Life-Science-CEOs optimistisch in die nähe­re Zukunft. Mittelfristig sind sie sogar noch etwas optimistischer als der Durch­schnitt der Gesamtindustrie: 94 Prozent sehen den kommenden drei Jahren mit Zuversicht entgegen - der Durchschnitt liegt bei 91 Prozent. "Dieser hohe Prozentsatz lässt vermuten, dass die Vorstandsvorsitzenden der Pharmabranche den branchenspezifischen Herausforderungen mit Zuversicht begegnen", meint Volker Booten, verantwortlicher Partner bei PwC für die Pharma- und Chemiebranche. "Dazu gehören beispielsweise Fragen des Patent- und Markenschutzes, immer höhere Kosten für Forschung und Entwicklung oder die Probleme der Preisgestaltung, wenn der Patentschutz wichtiger Medikamente ausläuft oder staatliche Vorgaben die Marktgesetze außer Kraft setzen. Außerdem unterliegt auch die Pharma- und Life-Science-Industrie einer immer stärkeren Regulierung, etwa, wenn es um den Umweltschutz und um die Sicherheit ihrer Produkte geht."

Einige der großen Risiken, die die gesamte Industrie betreffen, bereiten den Vorstandschefs der Branche mehr Kopfzerbrechen als ihren Kollegen in anderen Industriezweigen. So äußerten sich in der PwC-Umfrage 47 Prozent der Pharma-CEOs besorgt über mögliche Pandemien oder andere Gesundheitskrisen - der Durchschnitt lag hier bei 29 Prozent. Die protektionistischen Tendenzen beunruhigen 50 Prozent der Vorstandschefs der Branche (alle befragten CEOs: 40 Prozent). Den Wettbewerb aus Niedrigkosten-Ländern beobachten 56 Prozent mit Skepsis; im Gesamtdurchschnitt sind dies 50 Prozent.

Besonders deutlich ist die unterschiedliche Einschätzung der Vorstandsvorsitzenden der Branche im Vergleich zu ihren Kollegen bei zwei Themen: der Überregulierung und dem Schutz geistigen Eigentums. 78 Prozent der Pharma-CEOs, deren Unternehmen häufig in den unterschiedlichsten Rechtssystemen operieren, äußern sich besorgt über die weltweit zunehmende Zahl staatlicher Vorschriften für ihre Branche - im Durchschnitt teilen 58 Prozent der CEOs diese Sorge. Und 91 Prozent der Pharma-Unternehmer geben dem Blick auf die regulatorischen Erfordernisse höchste Priorität bei geschäftlichen Entscheidungen (63 Prozent aller Befragten).

Die Sicherheit ihrer Schutzrechte (Patente, Gebrauchsmusterschutz und ähnliche) halten 63 Prozent der Pharma-Manager und nur 32 Prozent aller Befragten für gefährdet. "Dass die Pharmaindustrie beim Schutz ihres geistigen Eigentums zu­nehmend sensibel reagiert, hat mehrere Gründe", erläutert Volker Booten. "Zum einen werden die Patentlaufzeiten vor dem Hintergrund der hohen Forschungs- und Zulassungskosten nicht als angemessen angesehen. Zum anderen ist die Durch­setzung von Patentrechten in wesentlichen Wachstumsmärkten problematisch."

Den Ausweg sehen die meisten Firmenlenker in der Innovation: 81 Prozent der Pharmachefs (65 Prozent aller CEOs) halten sie für das wichtigste Instrument, langfristig Wettbewerbsvorteile zu erlangen. Kurzfristig ist diese Einschätzung nicht ganz so ausgeprägt: Für 38 Prozent der Pharma- und Life-Science-Unternehmen (20 Prozent aller Befragten) ist die Entwicklung neuer Produkte die wichtigste Möglich­keit, in den kommenden zwölf Monaten Wachstum zu erzeugen. "Die Entwicklung neuer Präparate in der Pharmazie und Biotechnologie dauert in der Regel sehr lange, oft deutlich mehr als zehn Jahre. Deswegen ist die Produktinnovation in dieser Branche nicht geeignet, kurzfristige Effekte hervor zu bringen", erklärt Booten die Diskrepanz zwischen der lang- und kurzfristigen Einschätzung.

"Die langen Entwicklungszeiten und die immer höheren Entwicklungskosten sind ein wesentlicher Grund dafür, dass die Branche in den letzten Jahren enger zusammen gerückt ist. Über Allianzen der unterschiedlichsten Art - von der Entwicklungs-Kooperation bis hin zur Übernahme - versuchen die forschenden Pharmaunter­nehmen, die Produktentwicklung zu beschleunigen und Lücken in ihren Pipelines aufzufüllen. Für die Generika-Hersteller ist es dagegen interessant, über Zukäufe und Fusionen neue Märkte zu gewinnen und die Kosten zu senken", so Volker Booten.

Die PwC-Studie hat ergeben, dass die Unternehmen der Branche in den vergange­nen zwölf Monaten geringfügig mehr grenzüberschreitende Fusionen und Über­nahmen (Mergers & Acquisitions, M&A) abgeschlossen haben als die Gesamt­industrie. Ihre M&A-Planungen liegen ebenfalls leicht über dem Durchschnitt aller Branchen. Dabei erwarten die Pharma-CEOs von diesen Transaktionen höhere Wertzuwächse als die Kollegen der anderen Industriezweige. Joint-Ventures und strategische Allianzen erfreuen sich dagegen in der Pharma- und Life-Science-Industrie einer geringeren Beliebtheit als in anderen Branchen. Während nur 13 Prozent der Pharma-CEOs ihnen einen größeren Einfluss auf das künftige Unternehmenswachstum zubilligen, sind es in der Gesamtindustrie 30 Prozent. "Das lässt vermuten, dass Joint-Ventures und Allianzen in der Branche schon länger etabliert sind und deswegen kein großes Potenzial mehr bieten", inter­pretiert Volker Booten die geringe Zustimmung zu diesem Punkt.

Aus seiner Sicht hat die Pharma- und Life-Science-Industrie noch erhebliche Anpas­sungs­prozesse vor sich.""Die sich verändernden Rahmenbedingungen zwingen die Gesundheits­systeme auf der ganzen Welt zum Wandel. Hiervon werden die Unternehmen profitieren, welche ihre Forschungsausgaben zielgerichtet einsetzen, den Vertrieb neu ausrichten und den Patienten individueller behandeln. Der Pharma­industrie insgesamt muss es besser gelingen, die besonderen Anforderungen, denen sie unterliegt, der Öffentlichkeit verständlich zu machen und verlorenes Vertrauen zurück zu gewinnen."

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