Einblicke ins Atom

Forscher stellen neuen Mechanismus zur Untersuchung von Atomkernen vor

25.01.2017 - Deutschland

Es ist nicht leicht, die kleinsten Bausteine der Materie in Augenschein zu nehmen. Während sich Atome mit einer Größe von einigen Pikometern (Billionstel Meter) mit Rastertunnelmikroskopen noch in ihren Umrissen sichtbar machen lassen, sind Nahaufnahmen der Atomkerne auf direktem Wege bislang ganz und gar unmöglich: Wie eine dichte Atmosphäre oftmals den Blick auf ferne Planeten verhüllt, so verdeckt eine Wolke von Elektronen, die sich um den Atomkern bewegen, die Sicht ins Innere eines Atoms. „Die Elektronenhülle bestimmt nicht nur die Festigkeit und chemischen Bindungen aller uns umgebenden Stoffe, sie ist auch wesentlich größer als der Atomkern“, sagt Prof. Dr. Stephan Fritzsche von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Ihr Durchmesser beträgt etwa das Hunderttausendfache des Durchmessers des Atomkerns. Um die Kerne dennoch direkt zu erreichen, müssen sich die Forscher daher etwas einfallen lassen.

Anne Günther

Die theoretischen Physiker Dr. Andrey Volotka (l.) und Prof. Dr. Stephan Fritzsche haben eine Methode entwickelt, mit der sie Atomkerne gezielt anregen können.

Und genau das haben Prof. Fritzsche und seine Kollegen getan. Das Team um den theoretischen Physiker von der Universität Jena und dem Helmholtz-Institut Jena stellt in der Fachzeitschrift „Physical Review Letters“ eine Methode vor, mit der die Forscher den Schleier der Elektronenwolke lüften und die Atomkerne gezielt anregen können. Dabei gelingt es ihnen nicht nur die Elektronenwolke zu durchdringen; sie nutzen die eigenwilligen Sprünge der Elektronen sogar, um neue Kernzustände zu ermöglichen.

Grundlage der Untersuchungsmethode ist die sogenannte Zwei-Photonen-Emissionsspektroskopie. „Dazu schickt man elektromagnetische Strahlung in eine Probe des zu untersuchenden Elementes“, erläutert PD Dr. Andrey Volotka aus Fritzsches Arbeitsgruppe, der Erstautor der aktuellen Studie ist. Die Elektronen in der Atomhülle werden von der Strahlung angeregt und gehen in einen energetisch höheren Zustand über, in dem sie allerdings nur für sehr kurze Zeit verweilen und von wo sie anschließend in ihren ursprünglichen Zustand zurückfallen. Jedes angeregte Atom gibt dabei seine Energie in Form zweier Lichtteilchen (Photonen) wieder ab. „Dem von uns vorgeschlagenen Mechanismus zufolge wird eines dieser Photonen jedoch vom Atomkern absorbiert und regt diesen selbst an“, so Andrey Volotka. Diese Anregung des Atomkerns lässt sich – ebenso wie die des verbleibenden zweiten Photons – spektroskopisch nachweisen. Die beobachtbaren Signale in den Photonenspektren geben den Forschern Aufschluss über die Struktur des Atomkerns und dessen Wechselwirkung mit den Elektronen. „Damit können sogenannte isomere Zustände der Atomkerne bestimmt werden, die vergleichsweise langlebig sind“, nennt Prof. Fritzsche einen Vorteil der Methode. „Langlebig“ bedeutet für die Physiker in diesem Fall von Bruchteilen einer Sekunde bis hin zu mehreren Minuten. Die in gängigen Stoßexperimenten angeregten Kernzustände haben dagegen typische Lebensdauern im Attosekundenbereich.

Bisher ist dieser neue Mechanismus allerdings nur ein theoretischer Vorschlag. Die Jenaer Physiker konnten diesen aber gemeinsam mit Kollegen aus Braunschweig, Darmstadt und Dresden bereits in Computersimulationen bestätigen. „Das ist in erster Linie Grundlagenforschung“, macht Prof. Fritzsche deutlich. Vielleicht, so der Physiker, lassen sich die Erkenntnisse jedoch eines Tages auch nutzbringend anwenden: etwa in Form hochpräziser „Atomuhren“, die dann auf Kernübergängen beruhen und eine nennenswert höhere Präzision versprechen.

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