Bauchspeicheldrüsenkrebs ebnet ungewöhnlich früh den Weg für Metastasen in der Leber

28.09.2016 - Deutschland

Bauchspeicheldrüsenkrebs ist eine besonders aggressive Tumorart. Oft wachsen in anderen Organen – häufig in der Leber – schon Tochtergeschwüre, wenn der ursprüngliche Tumor noch gar nicht bemerkt wurde. Ein Team der Technischen Universität München (TUM) hat nun einen molekularen Mechanismus entdeckt, der dafür verantwortlich ist, dass die Leber bei diesem Tumor so häufig und bereits so früh von Metastasen betroffen ist.

Während manche Formen von Krebs immer besser zu behandeln sind, ist die Prognose für Patienten mit Tumoren in der Bauchspeicheldrüse (fachsprachlich: Pankreas) besonders schlecht. Einer der Gründe dafür ist, dass sich diese Tumore, verglichen mit anderen Tumoren, ungewöhnlich früh und effizient als Metastasen auf andere Organe ausbreiten. In deutlich mehr als der Hälfte der Fälle wachsen diese Metastasen in der Leber. Ein Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern um den Biologen Prof. Achim Krüger vom Institut für Molekulare Immunologie und Experimentelle Onkologie am Klinikum rechts der Isar der TUM hat die Gründe dafür untersucht.

In den letzten Jahren ist ein körpereigenes Protein namens TIMP1 verstärkt in den Fokus der Krebsforschung gerückt. Zunächst war TIMP1 interessant, weil es so genannte Proteasen hemmt. Diese Enzyme spielen im Körper zum Beispiel bei der Entstehung von Organen eine wichtige Rolle, sie können aber auch dafür sorgen, dass Krebszellen aus dem ursprünglichen Tumor in andere Organe gelangen. In diesem Fall wirken sie wie biochemische Macheten, die den Tumorzellen den Weg durch das Gewebe in das Blut- oder Lymphsystem bahnen und ihnen dann erlauben, in weiter entfernte Organe einzudringen. TIMP1, so wurde lange geglaubt, könnte deshalb als Vorlage für Krebsmedikamente dienen.

Paradoxerweise zeigte sich jedoch, dass erhöhte TIMP1-Werte im Körper bei sehr vielen Tumorerkrankungen mit einem bösartigen Verlauf einhergehen. TIMP1 hängt also ganz im Gegenteil mit einer verstärkten aggressiven Ausbreitung der Krebszellen auf andere Organe zusammen. Um dafür eine Erklärung zu finden, erforscht die Gruppe um Achim Krüger seit einigen Jahren bisher unbekannte Funktionen des TIMP1-Moleküls.

Ein unerwartetes Zusammenspiel

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler konnten jetzt nachweisen, dass schon bei Vorstufen von Bauchspeicheldrüsenkrebs, die noch nicht bösartig sind, und sogar schon bei chronischen Entzündungen der Bauchspeicheldrüse vermehrt TIMP1 gebildet wird. Über das Blut gerät das Protein auch in die Leber. Dort kommt es dann zu einem folgenschweren Zusammenspiel mit einem anderen Molekül, das auf den so genannten Sternzellen der Leber sitzt. Normalerweise sind diese Zellen inaktiv. Sie werden erst durch krankhafte Prozesse, etwa durch eine Infektion, aktiviert und setzen Prozesse in Gang, die den Veränderungen entgegenwirken sollen.

TIMP1, das aus der Bauchspeicheldrüse in die Leber transportiert wird, entfaltet dort seine ursprünglich bekannte, Proteasen hemmende, Wirkung nicht – in einer gesunden Leber sind schlichtweg keine Proteasen vorhanden, die gehemmt werden könnten. Achim Krüger und sein Team konnten jedoch erstmals zeigen, dass TIMP1 trotzdem in Aktion tritt: Es bindet an einen Rezeptor auf den Sternzellen mit dem Namen CD63. Dadurch wird die Sternzelle aktiviert und in der Leber ein komplexer Prozess in Gang gesetzt, dessen Einzelheiten die Forscherinnen und Forscher in ihrem Artikel erläutern. „Am Ende des Prozesses entsteht eine Art Nische, in der besonders gute Bedingungen für das Wachstum von Metastasen bestehen und die den Krebszellen sogar gewissermaßen den Weg in die Leber weist“, sagt Barbara Grünwald, Erstautorin der Studie.

Ergebnisse werfen neues Licht auf klassische Modelle von Metastasierung

„Unsere Studie zeigt, dass dieser Prozess schon in Gang gesetzt wird, lange bevor Geschwülste in der Bauchspeicheldrüse bösartig werden“, ergänzt Achim Krüger. „Dadurch lässt sich die einzigartige aggressive Schnelligkeit dieser Tumorart erklären.“ Die Ergebnisse der Studie widersprechen zudem der klassischen Vorstellung einer linearen Entwicklung von Tumoren. Diese besagt, verkürzt gesagt, dass sich Tochtergeschwüre allein als Folge der Fähigkeiten von bösartigen Tumorzellen bilden, die wiederum erst durch mehrfache Umwandlungsprozesse aus gutartigen Tumorformen entstanden sind. „Wie wir gezeigt haben, kann der Weg für eine aggressive Ausbreitung von Tumoren jedoch schon in sehr frühen Krankheitsstadien geebnet werden“, sagt Achim Krüger.

Achim Krüger und sein Team arbeiten derzeit an Möglichkeiten, die Bindung von TIMP1 an CD63 zu verhindern, bevor Tumorzellen diese Nische ausnützen können. „Die Schwierigkeit daran ist, dass TIMP1 zugleich wichtige Funktionen erfüllt“, sagt Krüger. „Würde man TIMP1 einfach unterdrücken, käme es zu schweren Nebenwirkungen, weil sich Krebszellen ohne die Protease-Hemmer noch stärker in andere Teile des Körpers verbreiten könnten. Wir forschen deswegen an einem Stoff, der die hemmende Wirkung von TIMP1 erhält, aber die Bindung an CD63 verhindert.“

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