Ein Blick in die „Geburtsstube“ der Ribosomen

Baugerüst und Spezialarbeiter helfen bei der Entstehung – Biochemiker gewinnen Erkenntnisse zur Biogenese

19.07.2016 - Deutschland

Eine Art Baugerüst, auf dem Spezialarbeiter am Werk sind, hilft beim Herstellungsprozess einer der beiden Untereinheiten, aus denen ein Ribosom – die Protein-Fabrik der Zelle – besteht. Das haben Biochemiker der Universität Heidelberg herausgefunden, nachdem ihnen ein Blick in die „Geburtsstube“ der Ribosomen gelungen ist. Mit ihren Forschungen am Modellorganismus der Bäckerhefe entdeckten sie in Zusammenarbeit mit Kollegen der Ludwig-Maximilians-Universität München eine Schale, die die kleinere der beiden Untereinheiten bei ihrer Entstehung umschließt. Die Forschungsergebnisse könnten zu einem besseren Verständnis von Ribosomopathien beitragen – Krankheiten, die durch Fehler bei der Ribosomen-Herstellung verursacht werden. Auch für die Krebsforschung erhoffen sich die Wissenschaftler positive Effekte, da einige Medikamente auch bei der Biogenese von Ribosomen ansetzen.

BZH/Jochen Baßler

Modell der kleinen ribosomalen Untereinheit bei ihrer "Geburt"

Bereits vor 15 Jahren stieß das Forscherteam um Prof. Dr. Ed Hurt vom Biochemie-Zentrum der Universität Heidelberg auf die früheste bekannte ribosomale Vorstufe, das 90S Prä-Ribosom. Um herauszufinden, welche Funktion dieses riesige Vorläufer-Partikel bei der Ribosomen-Entstehung übernimmt, isolierte Markus Kornprobst die Prä-Ribosomen aus der Bäckerhefe, um ihren Aufbau zu analysieren. „Dabei haben wir entdeckt, dass diese Vorstufe ein großes schalenförmiges Modul trägt, das nach getaner Arbeit von der Zelle recycelt wird“, sagt Markus Kornprobst aus dem Team von Prof. Hurt. „Das relativ kompakte Erscheinungsbild des 90S Prä-Ribosoms hat uns auf die Idee gebracht, dass diese Schale zusammen mit weiteren Faktoren die kleinere der beiden ribosomalen Untereinheiten bei ihrer Entstehung umschließt, um so in geschützter Umgebung den reibungslosen Zusammenbau des Partikels zu ermöglichen.“ Diese Vermutung konnte in Zusammenarbeit mit dem Münchner Team von Prof. Dr. Roland Beckmann mit Hilfe der Cryo-Elektronenmikroskopie bestätigt werden.

Dazu isolierte Dr. Nikola Kellner, die ebenfalls Mitglied im Hurt-Labor ist, 90S Prä-Ribosomen aus einem hitze-liebenden Pilz. „Diese sind stabiler und damit besser für die weiteren Analysen geeignet als 90S Prä-Ribosomen aus anderen Organismen“, erklärt Nikola Kellner. Mittels Cryo-Elektronenmikroskopie konnte schließlich die Struktur dieses thermostabilen 90S Prä-Ribosoms bis auf unter einen Nanometer Auflösung ermittelt werden. „Die 90S-Faktoren bilden in der Tat ein riesiges zusammenhängendes Netzwerk, das wie ein Gerüst um die entstehende kleine Untereinheit herum aufgebaut ist, ähnlich wie bei einem Hochhaus, an dem Spezialarbeiter mit ihren verschiedenen Werkzeugen tätig sind“, erläutert Ed Hurt.

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