Jeder Schuss ein Treffer

Forscher entwickeln neuartigen Probenhalter für kleinste Mikrokristalle

02.06.2015 - Deutschland

Wissenschaftler von DESY, dem Paul Scherrer Institut (PSI) in der Schweiz und dem britischen Synchrotron Diamond haben einen neuartigen Probenhalter für die sogenannte serielle Proteinkristallographie entwickelt. Der Halter, der aus einem Silizium-Einkristall mit regelmäßig angeordneten Poren besteht, ermöglicht zum einen eine hochpräzise Anordnung kleinster Kristalle und hinterlässt zum anderen bei den Röntgenuntersuchungen fast kein störendes Eigensignal in den Streubildern, wie es bei konventionellen Methoden unvermeidbar ist. Ihre Entwicklung präsentieren die Forscher im Onlinejournal „Scientific Reports“.

DESY

Auf die zwei Quadratmillimeter große Membran des Siliziumchips, der auf einem Magnethalter montiert ist, passen etwa 20.000 Mikrokristalle.

DESY

Die Mikrokristalle ordnen sich fast selbstständig in einem regelmäßigen Raster von 20 Mikrometer Maschenweite an.

DESY
DESY

Die Strukturbestimmung von Proteinstrukturen ist unerlässlich für das Verständnis vieler biologischer Prozesse und damit grundlegend beispielsweise für die Entwicklung neuartiger Medikamente. Mit Hilfe von Synchrotronstrahlung können solche Eiweißstrukturen atomgenau aufgelöst werden, wenn sie in Form von Kristallen untersucht werden. Bei vielen dieser Proteine ist es jedoch äußerst aufwändig, bei manchen gar unmöglich, sie in größeren Kristallen anzuordnen. Die jüngere Entwicklung zu Röntgenstrahlungsquellen mit immer größerer Brillanz, wie beispielsweise DESYs PETRA III oder die neuartigen Röntgenlaser, erlaubt neuerdings auch die Untersuchung von immer kleineren Kristallen, die nur einige Mikrometer groß sind und bisher kein ausreichendes Signal für kristallographische Messungen lieferten. Solche Mikrokristalle sind in der Regel deutlich einfacher zu „züchten“, erfordern jedoch wegen ihrer geringen Größe neue Ansätze in der Handhabung. Darüber hinaus ist eine Verbesserung des Signal-zu-Rausch-Verhältnisses erforderlich, da das Streusignal solcher Kristalle deutlich schwächer als das größerer Proben ist.

DESY-Forscher haben jetzt in Kooperation mit Wissenschaftlern von Diamond und PSI einen neuartigen Probenhalter entwickelt, bei dem mehrere Tausend Mikrokristalle gleichzeitig auf einen Siliziumchip aufgebracht und dann mit kristallographischen Methoden untersucht werden können. Der Chip ist sowohl an Mikrofokus-Beamlines an Synchrotronstrahlungsquellen als auch an Röntgenlasern wie der LCLS in Stanford und in Zukunft European XFEL einsetzbar. Im Gegensatz zu bisher genutzten Methoden wie beispielweise „Liquid Jets“ oder „Lipidic Cubic Phase (LCP) Jets“, bei denen die Mikrokristalle von einer Flüssigkeit bzw. einer gelartigen Substanz umgeben sind und dann mit Röntgenstrahlen analysiert werden, ordnen sich die Kristalle auf dem neuen Probenhalter in kleinen Löchern auf einer zehn Mikrometer dünnen Membran aus einkristallinem Silizium an, die dann mit dem Röntgenstrahl gescannt wird. Durch diese Technik sind die Kristalle nicht nur genau lokalisierbar, sondern der Anteil von Probenmaterial im Verhältnis zum Trägermaterial im Röntgenstrahl ist wesentlich größer. Durch diese Vorteile wird die Untersuchung von noch kleineren Kristallen ermöglicht.

„Den Chip kann man sich vorstellen wie ein Sieb. Die Silizium-Membran besteht aus einer Matrix vieler kleiner Löcher, die etwas kleiner sind als die Kristalle selbst“, erläutert DESY-Forscher Philip Roedig, Erstautor der Studie. „Zur Probenpräparation wird auf die Oberseite des Chips ein Tropfen der Mutterlösung mit den Mikrokristallen aufgebracht und dann die Mutterlösung durch die Mikroporen von unten abgesaugt. Die Kristalle bleiben dann wie in einem Sieb in den Löchern hängen und können dann Kristall für Kristall mit dem Röntgenstrahl abgerastert werden.“ Auf diese Weise ist der Verbrauch an Kristallen deutlich geringer als z.B. bei Liquid-Jet-Systemen, bei denen ein großer Teil der Kristalle einfach durchströmt, ohne von den Röntgenpulsen getroffen zu werden. Mit dem neuen Chip erhält man prinzipiell eine Trefferquote von 100 Prozent, so dass alle aufgebrachten Kristalle auch zur Strukturbestimmung beitragen. Darüber hinaus wird durch ein effizientes Entfernen der Mutterlösung, in denen die Kristalle normalerweise schwimmen, das Untergrundsignal reduziert und so die Signalqualität verbessert. Um ein Austrocknen der Kristalle auf dem Chip zu verhindern, befindet sich dieser während der Präparation in einem Strom aus feuchter Luft. Nach dem Aufbringen der Kristalle wird der Chip direkt in Flüssigstickstoff eingefroren und danach an der jeweiligen Beamline eingesetzt.

In Testexperimenten konnten die Forscher hochauflösende Diffraktionsdaten von Proteinmikrokristallen erhalten, die kleiner als vier Mikrometer waren. Die experimentellen Messungen wurden mit Viren- (Polyhedrin) und Lysozymkristallen an der Mikrofokus-Beamline I24 an der Diamond Light Source in Großbritannien durchgeführt. Durch den fokussierten Röntgenstrahl mit einer Größe von 7 mal 7 Quadratmikrometern wurde stets nur ein Mikrokristall zur selben Zeit bestrahlt. Die erhaltenen Datensätze von mehreren Hundert Kristallen wurden anschließend zu einem kompletten Datensatz zusammengefügt und ausgewertet. Auf diese Weise konnten die Forscher 3D-Informationen der Elektronendichteverteilung innerhalb der Kristalle mit einer Auflösung von 1,5 Ångström bzw. 0,15 Nanometer gewinnen.

Für Juli sind weitere Experimente am Röntgenlaser LCLS in Stanford geplant, bei denen die Struktur der Kristalle auf dem Chip mithilfe von hochintensiven und ultrakurzen Röntgenlaserpulsen bestimmt werden soll. Die Intensität der Röntgenpulse ist dabei so stark, dass jeder Kristall sofort durch einen einzelnen Röntgenpuls zerstört wird und somit der Chip im Takt der Röntgenlaser-Blitzrate verschoben werden muss. Bei einer Blitzfrequenz von 120 Hertz bedeutet dies, dass ein kompletter Chip mit bis zu 20.000 Mikrokristallen in weniger als drei Minuten abgerastert werden kann.

„Unser neuer Probenhalter erlaubt es, winzige Mikrokristalle mit einer einzigartigen Ausbeute zu charakterisieren“, erklärt Alke Meents, Wissenschaftler bei DESY und Leiter des Forschungsprojekts. „Damit ist er nicht nur ein einzigartiges Instrument für Röntgenlaser sondern auch ideal geeignet für Experimente mit polychromatischer Röntgenstrahlung, die wir an einer der zukünftigen Strahlführungen, die im Rahmen des PETRA III-Extensionprojekts entstehen, realisieren könnten. Durch die Verwendung von polychromatischer Strahlung an hochbrillanten Strahlungsquellen wie PETRA III werden sich die Messungen mit ähnlicher Geschwindigkeit wie an Röntgenlasern durchführen lassen, mit reduzierter Zahl der benötigten Mikrokristalle.“

Originalveröffentlichung

Weitere News aus dem Ressort Wissenschaft

Meistgelesene News

Weitere News von unseren anderen Portalen

Unter die Lupe genommen: Die Welt der Mikroskopie