Genomprojekt liefert Sequenzdaten der wichtigsten Fleisch- und Milchrinderrassen

Sequenzdaten machen die Suche nach Erbgutdefekten in der Rinderzucht einfacher

25.07.2014 - Deutschland

Mit einem internationalen Kooperationsprojekt, dem „1000-Bullen-Genom-Projekt“, soll die Züchtung spezifischer Merkmale bei Fleisch- und Milchrindern vereinfacht werden, um damit Gesundheit, Wohlergehen und Produktivität der Tiere zu verbessern. Die Resultate der ersten Projektphase – basierend auf der Sequenzierung der Gesamtgenome von 234 verschiedenen Zuchtbullen mit einer zweistelligen Millionenanzahl an Nachkommen – wurden gerade in der Zeitschrift „Nature Genetics“ veröffentlicht. Wie die Forscher erläutern, könnten Zuchtprogramme von diesen Daten profitieren, weil damit Erbgutdefekte verringert oder ausgeschlossen werden können, was nicht nur den Ertrag in der Milch- und Fleischerzeugung verbessert, sondern auch das Wohlergehen der Tiere fördert.

Die Zuchtbullen, deren Genome sequenziert und analysiert wurden, decken die vier kommerziell wichtigsten Rassen in der Rinderzucht ab. Wissenschaftler der Technischen Universität München (TUM) steuerten Daten von 43 Zuchttieren der Fleckvieh-Rasse bei, die sich von ihrem Ursprung im Bayerischen Alpenraum inzwischen auf allen Kontinenten ausgebreitet hat. Weltweit wird die Fleckvieh-Population bei Milchkühen auf 40 Millionen geschätzt. In der Population der weit verbreiteten Holstein-Friesian-Rinder analysierten die Projektmitarbeiter die Genome von 129 Zuchtbullen, von denen mehr als sechs Millionen Rinder in Milchviehbetrieben abstammen. Die Rasse Jersey war mit den Sequenzdaten von 15 Bullen vertreten. Auch bereits veröffentlichte Genomdaten von 47 Angus-Rindern flossen mit in die Analyse ein.



Mit den Methoden moderner Tierzucht und den Fortschritten in der Genomsequenzierung und Bioinformatik ist es inzwischen möglich, Erbgutdefekte anhand der Genomdaten einer relativ geringen Anzahl an Individuen einfach und kostengünstig vorherzusagen. In der Rinderzucht ist die Auswahl von Zuchttieren ein aufwändiges Verfahren. Durch den weit verbreiteten Einsatz der künstlichen Besamung ist es nicht ungewöhnlich, dass einzelne männliche Zuchttiere hunderttausend Nachkommen hervorbringen. Mit den Genomdaten dieser Zuchttiere bekommen die Züchter nun Referenzwerte an die Hand, um daraus mit Hilfe bereits verfügbarer DNA-Chip-Technologien Sequenzinformationen zu zahlreichen Nachkommen extrapolieren zu können.



Individualisierte Genomanalyse für den Bauernhof



Auf der Basis der Gesamtgenome ausgewählter Zuchtbullen – mit einem Katalog von 28,3 Millionen identifizierten Varianten – bauten die Wissenschaftler eine Datenbank von Genotypen auf. Damit können sie nun auf Sequenzebene Vergleichsstudien der Gesamtgenome durchführen und Vorhersagen zu individuellen Genomen treffen. Auf diese Weise lassen sich beispielsweise Erbgutdefekte schnell nachweisen, die sich bei Tieren negativ auf Gesundheit, Wohlergehen und Produktivität auswirken können.



Bereits in der ersten Phase des 1000-Bullen-Genom-Projekts konnten die Wissenschaftler zeigen, dass sie mit diesem Forschungsansatz Milch- und Fleischerzeuger dabei unterstützen könnten, die wachsende Nachfrage nach ihren Produkten zu decken. Der erste Beleg für den Nutzen dieser Datenbank war der Nachweis von rezessiven Mutationen, die als Erbgutdefekte zum Tod von Embryonen oder lethalen Knochenerkrankungen führen. Mit dem Vergleich von Gesamtgenomen konnte man auch Varianten mit spezifischen Merkmalen wie hohem Fettgehalt der Milch oder gelocktem Fell nachweisen, die bei manchen Tieren der Fleckvieh-Rasse vererbt werden. 



In den zehntausend Jahren, in denen Menschen Tierzucht betreiben ist dies wirklich etwas Neues: „Die Sequenzierung des gesamtem Genoms von Zuchttieren gab es in dieser Größenordnung bei Nutztieren noch nie", erläutert Prof. Ruedi Fries, Leiter des Lehrstuhls für Tierzucht TUM. „Unsere Ergebnisse schaffen die Basis für individualisierte genetische Analysen bei Rindern, sozusagen einen „Gentest für Kühe.“



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