Gen für seltene Form von Eierstockkrebs bei jungen Frauen identifiziert

28.03.2014 - Deutschland

Wissenschaftler des Instituts für Humangenetik der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Kiel, haben in einer transatlantischen Studie das verantwortliche Gen für eine seltene aber besonders aggressive Form von Eierstockkrebs identifiziert, an der insbesondere junge Frauen erkranken. Die Humangenetiker konnten zeigen, dass Veränderungen des Gens SMARCA4 sowohl mit der erblichen Variante als auch dem vereinzelten Auftreten dieser Krebsart zusammen hängen. Die Ergebnisse wurden jetzt in der Fachzeitschrift Nature Genetics publiziert.

Institut für Humangenetik, CAU

Mit Hilfe einer bestimmten Technik, der sogenannten FISH-Analyse, können Humangenetiker den Verlust des SMARCA4-Gens beim kleinzelligen Eierstockkrebs vom hyperkalzämischen Typ nachweisen: Während bei normalen Zellen (oben im Bild) das Signal für das SMARCA4-Gen als gelber Punkt zu erkennen ist, fehlt es den Tumorzellen (unten im Bild). Blaue Signale dienen als Kontrolle dafür, dass der Test funktioniert.

Eine besonders aggressive Form von Eierstockkrebs, das kleinzellige Ovarialkarzinom vom hyperkalzämischen Typ, betrifft besonders junge Frauen. Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei nur etwa 25 Jahren, auch Kinder können betroffen sein. In einigen Familien tritt die Krebsform gehäuft auf, was auf eine erbliche Veranlagung hinweist. Wird die Erkrankung nicht rechtzeitig diagnostiziert, ist die Prognose in der Regel schlecht.

„Obwohl selten, hat das kleinzellige Ovarialkarzinom vom hyperkalzämischen Typ eine große klinische Bedeutung“, so der Koordinator der Studie, Dr. Williams Foulkes, Leiter des tumorgenetischen Labors des Lady Davis Institute (LDI) des Jewish General Hospital und des Programms für Tumorgenetik der McGill Universität in Montreal, Kanada. Dies liege an der ungünstigen Prognose und am frühen Erkrankungsalter, die älteste bislang bekannte Patientin war 48 Jahre alt. „Durch die Identifizierung eines spezifischen genetischen Faktors haben wir jetzt die Möglichkeit für eine frühzeitige humangenetische Beratung und Diagnostik. Wir können Frauen mit einem erhöhten Risiko für diese Erkrankungen humangenetisch testen, bevor die Erkrankung entsteht. Dies eröffnet neue Möglichkeiten der Prävention und Therapie“, so Foulkes.

Bereits vor einigen Jahren konnten Wissenschaftler am Institut für Humangenetik der Medizinischen Fakultät der CAU, am Kieler Campus des UKSH, unter Leitung von Institutsdirektor Professor Reiner Siebert zeigen, dass Veränderungen eines bestimmten Gens, SMARCA4 genannt, im Zusammenhang mit einer erblichen Veranlagung für Krebserkrankungen stehen. Die Kieler Arbeitsgruppe entwickelte Tests zum Nachweis von Veränderungen dieses Gens. Dies sowie ihre spezifische Expertise im Bereich der Tumorgenetik und molekularen Zytogenetik waren die Gründe, warum die Wissenschaftler der McGill Universität die Zusammenarbeit mit den Kieler Kollegen suchten. „Wir konnten im Jahr 2010 weltweit erstmals zeigen, dass erbliche Veränderungen im SMARCA4-Gen mit einer Veranlagung für sogenannte maligne Rhabdoidtumoren (Tumoren des Gehirns, der Nieren und des Weichgewebes) einhergehen, die bei sehr jungen Säuglingen auftreten“, erklärt Siebert, Co-Autor der jetzt publizierten Studie. „Die neuen genetischen Befunde beim kleinzelligen Ovarialkarzinom vom hyperkalzämischen Typ legen die Vermutung nahe, dass diese Form von Eierstockkrebs mit den Rhabdoidtumoren in seiner Entstehung verwandt ist.“

Für die jetzt veröffentlichte Studie sequenzierten die Wissenschaftler alle Gene des menschlichen Genoms bei Patientinnen mit kleinzelligem Ovarialkarzinom vom hyperkalzämischen Typ aus drei Familien. Sie konnten zeigen, dass in allen drei Familien Veränderungen des SMARCA4-Gens die Erkrankung verursachten. Die Analyse einer vierten Familie bestätigten diese Befunde. Es konnte außerdem nachgewiesen werden, dass in der nicht-familiären Form dieses Tumors das SMARCA4-Gen ausgeschaltet ist. Insgesamt zeigten über 90 Prozent der Tumore dieses Subtyps eine SMARCA4-Inaktivierung. Die Bedeutung der SMARCA4-Inaktivierung für die Entstehung von kleinzelligen Ovarialkarzinomen vom hyperkalzämischen Typ bestätigten zwei zeitgleich publizierte Arbeiten amerikanischer Arbeitsgruppen.

„Ein Gentest für eine erbliche Veranlagung für das kleinzellige Ovarialkarzinom vom hyperkalzämischen Typ bieten wir ab sofort auch bei uns in Kiel an“, sagt Siebert, der als Facharzt für Humangenetik den Fachbereich Humangenetik des Medizinischen Versorgungszentrums Kiel des Ambulanzzentrums am UKSH leitet. „Allerdings wird vorab in einer humangenetischen Beratung durch einen Facharzt oder eine Fachärztin für Humangenetik besprochen, ob ein solcher Gentest sinnvoll ist und welche Konsequenzen sich aus dem Testergebnis ergeben können“, ergänzt Siebert. Natürlich ist ein solcher Gentest freiwillig.

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