Umsetzung von REACH fordert Kraftakt auf allen Seiten

Internationale Fresenius-Konferenz diskutierte Mammut-Projekt der europäischen Chemikalienpolitik

17.12.2009 - Deutschland

Die Einführung der europäischen Chemikalienverordnung REACH (Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals) im Jahr 2007 stieß auf eine unerwartet hohe Resonanz. Bis 1. Dezember 2008 hatten die Unternehmen Zeit, der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) Stoffe zu melden, deren jährliche Produktions- oder Importmenge eine Tonne oder mehr beträgt. Rund 65.000 Firmen reichten mehr als 2,7 Millionen Vorregistrierungen ein - das Zwanzigfache dessen, was die ECHA erwartet hatte. Während Kritiker dieses Mammutprojekts ein Desaster voraussagen, setzt die ECHA alles in Bewegung, um sich auf die kommenden Registrierungsfristen vorzubereiten. Praktische Erfahrungen und Ratschläge, neue Leitlinien und Tools für die Industrie sowie Möglichkeiten der Kooperation - das waren die Hauptthemen der 6. Internationalen Fresenius-Konferenz „REACH in Practice“.

REACH ersetzt rund 40 Einzelgesetze durch eine gestraffte Verordnung, die nicht mit anderen chemischen Rechtsvorschriften - etwa im Bereich Kosmetika oder Reinigungsmittel - kollidiert. REACH nimmt die Industrie in die Pflicht: Hersteller und Importeure müssen ihren nachgelagerten Anwendern Informationen über Risiken bereitstellen, um einen sicheren Umgang mit der jeweiligen Substanz zu gewährleisten. Abgesehen davon kann die Europäische Union zusätzliche Maßnahmen für hochgefährliche Substanzen erlassen, falls solche begleitenden Schritte auf EU-Ebene notwendig sind. Die ECHA hat die Aufgabe, die Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe zu verwalten und ein einheitliches Verfahren innerhalb der Europäischen Union sicherzustellen. Angesichts des großen Arbeitsvolumens sowie der enormen und komplexen Datenmenge steht die ECHA vor einer großen Herausforderung. Aber auch die Industrie kommt ins Schwitzen, denn die Vorbereitung der Registrierungsdossiers ist keine leichte Übung.

Praxistipps: Registrierung von Phase-in-Stoffen

Die erste Registrierungsfrist für Phase-in-Stoffe endet in weniger als einem Jahr. Den Unternehmen bleibt nur wenig Zeit, adäquate Testdaten für ihre Registrierung zu ermitteln. John Hislop (Exponent International, England) gab den Teilnehmern der Fresenius-Konferenz Praxistipps für die Registrierung von Phase-in-Stoffen. Die Anforderungen an die Daten sind von der Tonnage abhängig, gemäß den Anhängen VII bis X der REACH-Verordnung. „Aber Registranten müssen auch alle weiteren relevanten Daten einbeziehen, selbst wenn dies nicht in ihrem Tonnageband entsprechenden Anhang aufgeführt ist. Solche Daten könnten im jeweiligen Unternehmen oder über eine Literaturrecherche gefunden werden“, sagte Hislop. Registranten eines Stoffes, von dem jährlich mehr als 100 Tonnen hergestellt oder eingeführt werden, haben die Option, die 28-Tage-Toxizitätsstudie (wiederholte Applikation) nach Anhang VIII auszulassen zugunsten der 90-Tage-Version dieser Studie. Hislop: „Da die 90-Tage-Studie in Anhang IX gefordert wird, ist das eine gute Möglichkeit, Zeit zu sparen und Tierversuche zu reduzieren.“ Und statt des Screeningtests auf Reproduktions-/Entwicklungstoxizität (gemäß Anhang VIII) könne eine pränatale Entwicklungstoxizitätsprüfung (gemäß Anhang IX) durchgeführt werden, fügte er hinzu.

Die meisten Registrierungen werden über eine gemeinsame Dateneinreichung erfolgen, wobei der federführende Registrant („Lead Registrant“) ein komplettes Dossier einreicht und die nachfolgenden Registranten nur die für sie spezifischen Informationen. Hislop zufolge scheinen viele Unternehmen den Mechanismus der gemeinsamen Einreichung nicht zu verstehen, obwohl die ECHA ein REACH-IT-Industrie-Benutzerhandbuch zu diesem Thema veröffentlicht habe. Er betonte, dass sowohl der federführende Registrant als auch die nachfolgenden Registranten in der Lage sein müssten, dieses Verfahren anzuwenden: IUCLID 5 (“International Uniform ChemicaL Information Database”) für die Dossier-Erstellung und REACH-IT für die gemeinsame Einreichung.

Hohe Hürden für die Industrie

Auf der Fresenius-Konferenz berichtete Volker J. Soballa (Evonik) über praktische Erfahrungen mit REACH und stellte die Probleme dar, denen sich die Industrie stellen muss. Kooperation sei eine heikle Angelegenheit: Die Teilnahme an einem Forum zum Austausch von Stoffinformationen (SIEF) ist für alle Registranten Pflicht. SIEFs werden von Unternehmen gebildet, die denselben Stoff registrieren wollen. „SIEFs sind schwierig zu managen. Da mehr Unternehmen als erwartet teilnehmen, gibt es lange Diskussionen und es ist schwierig, sich auf Vertragsbedingungen zu einigen. Es gibt für SIEF-Mitglieder keine Kommunikationsregeln und manche intransparenten Unternehmen behindern schnelle Ergebnisse“, berichtete Soballa. Die Unterstützung durch die ECHA ist ein weiteres Thema: Laut Soballa sind die technischen Leitlinien der ECHA sehr komplex, umfassend und häufigen Veränderungen oder Updates unterworfen. Nur federführende Registranten erhielten persönliche Unterstützung - andere müssten sich mit standardisierten E-Mails begnügen. Außerdem kritisierte er das Eingabeformat der Softwareanwendung IUCLID 5, das mit mehr als 10.000 Datenfeldern sehr umfangreich und komplex sei. Und das REACH-IT-Portal - für Unternehmen der wichtigste Kanal, um Daten an die ECHA zu übermitteln - werde aufgrund der begrenzten Erreichbarkeit den Bedürfnissen der Industrie nicht gerecht, bemängelte Soballa. „Derzeit arbeiten die meisten Unternehmen sehr hart daran, alle vorgesehenen Stoffe zeitgerecht bis zum 30. November 2010 zu registrieren. Das wird aber nur zu schaffen sein, wenn die vielen bestehenden Hürden schnell abgebaut werden und keine zusätzlichen Herausforderungen entstehen“, machte Soballa deutlich.

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